Dienstag, 25. Juli 2017

Brief 379 vom 18.7.1942


Mein liebster Ernst !                                                              Konstanz, 18.7.42

Eigentlich müsste ich heute gar nicht schreiben, wo du von Helga schon so einen langen Brief erhältst. Aber böse wirst du nicht sein, wenn ich auch noch einige Zeilen beifüge. Vor allem möchte ich den Erhalt des Päckchens Nr.10 bestätigen. Das Brot ist tadellos angekommen. Da haben wir wieder eine zusätzliche Ration. Wir freuen uns sehr. Einen Brief habe ich leider jetzt einige Tage nicht bekommen, d.h. von dir. Von Papa kam heute einer. Er ist über meinen letzten Brief sehr erregt. Ich möchte doch das Frl. aus dem Spiel lassen. Sie würde nicht auf eine baldige Heirat drängen, sondern sie sei sehr zurückhaltend, da sie weiß, dass wir so gegen sie eingestellt sind. Er ist sehr damit einverstanden, dass wir vorläufig nichts in der Sache erwähnen und würde uns nur das Datum seiner Verehelichung mitteilen. Er schreibt dann noch, wenn er Tatsachen von Erna berichte, so sei das doch kein Schlechtmachen und so könne er nicht mehr mitmachen, selbst auf die Gefahr hin, dass wir uns alle von ihm entfernen würden. Er beschwört mich, dass doch wenigstens ich vernünftig sein solle und schreibt zum Schluss, es solle dies nun das letzte sein, was er über alles schriebe, so bedauerlich es sei, glaubte er doch, bei seinen Kindern Verständnis zu finden. Am besten wird es sein, wir lassen jetzt die ganze Sache auf sich beruhen, wenigstens so lange es geht.
Ich komme jetzt öfters mal zu Vater runter. Gestern habe ich ihm auf seine Mangelkarte, die ich jetzt immer hier habe, auch 2 Pfund Johannisbeeren besorgt, die ich ihm am Abend runter gebracht habe. Heute habe ich ihm ein Brot mitgebracht, das er sich aber selbst abholen will, da er ja meist am Samstag zu uns kommt. Manchmal bringe ich ihm ja auch was aus dem Garten.
Unser Apfelbaum hat viele Äpfel, die Zweige hängen bis auf die Brombeeren herab. Wenn nichts noch dazwischen kommt, gibt es eine gute Ernte. Das freut uns sehr.
Nachher will ich noch eine Weile in den Garten gehen. Es ist wieder ein Stück umzugraben und neu zu bepflanzen, außerdem hat es wieder so viel Unkraut, dass man gar nicht alles gleich machen kann. Am Montag werden mir die Kinder dabei helfen.
Wenn Helga schreibt, dass sie jeden Sonntag in die Wochenschau gehen, so ist das ja ein bißchen übertrieben; zwei Mal waren sie bisher drin. Aber es interessiert sie so, dass ich sie gerne gehen lasse.
Nun hoffe ich, dass ich recht bald wieder einen Brief von dir erhalte. Recht gern wüßte ich schon, wo du jetzt bist. Bleib mir nur gesund, wir denken immer mit viel Liebe an dich.
Und so grüße und küsse ich dich auch heute wieder herzlich, sehr sehr herzlich Deine Annie

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