Donnerstag, 1. Juni 2017

Brief 334 vom 25.5.1942


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 25.5.42

Weißt du, wo ich jetzt schreibe? Vom Fürstenberg. Es ist heute ein wunderschöner Tag. Nun steht hinter dem Fürstenberg ein Karussell. Da wollten die Kinder schon gestern gern fahren, aber da war schlechtes Wetter. Heute habe ich ihnen ihren Wunsch nun erfüllt. Jörg ist zwei Mal, Helga ein Mal gefahren und nun ist es beiden schwindlig. Weißt du, es ist so ein Karussell mit kleinen Sitzen an Ketten, die dann frei fliegen. Wir sind jetzt auf die Seite gegangen, wo man einen so weiten Ausblick hat. Da es ganz klar ist, sieht man den Hohentwiel, den Hohenkrähen etc. Wenn man nach der anderen Seite schaut, sieht man die Schweitzer Berge, die teilweise noch mit Schnee bedeckt sind. Dazu blauer Himmel und überall frisches Grün und bunte Wiesen. Es lässt sich hier schon eine Weile aushalten. Gerade kommt ein Zug. Er sieht aus, wie ein Kinderspielzeug. Es ist schön, dass hier nicht viel Leute sind, in unserer näheren Umgebung überhaupt keine.
Nun sind wir wieder daheim. Von ¼ 3 bis ¼ 6 waren wir fort. Es war ganz schön, so ruhig und friedlich. Dann haben aber die Kinder Hunger bekommen und wir sind heim gegangen. Wir haben erst Pudding mit Soße und Kleingebäck gegessen, und dann habe ich noch etwas Abendbrot fertig gemacht. Nun will ich den Brief fertig schreiben. Die Kinder sind noch auf der Straße beim spielen. Helga hat heute ihr neues Kleid an, da ist sie ganz stolz.
Die kommenden Tage gibt es wieder ziemlich im Garten zu tun. Erstens Kohlrabi und Salat setzen, restliche Bohnen stecken, Brombeeren anbinden (die neuen Triebe), Stützen für Stachelbeerbäumchen fertig machen und zuletzt Kartoffeln harken. Auch von den Fortschritten im Garten will ich dir erzählen. Die Kohlrabisetzlinge setzen an, der zweite Spinat ist bald groß genug, die Tomaten sind ein ganzes Stück gewachsen, die gesäten Zwiebeln sind schon raus gekommen, ebenso die Buschbohnen. Die Stangenbohnen und Gurken sind gerade dabei, die Erde aufzubrechen, die kleinen Krautsetzlinge stehen alle gut da. Die neuen Erdbeersetzlinge haben sich gut heraus gemacht, weißt du, die an dem schrägen Stück hinter dem Haus.
Nun sind die zwei Feiertage ganz friedlich vorbei gegangen. Heute waren die Kinder ganz besonders brav. Helga war die letzten Tage ein richtiges Hausmütterchen. Sie hat immer gleich den Tisch zum essen hergerichtet, Kaffee aufgestellt, beim Kartoffelschälen geholfen usw. Das hat mich gefreut.
Jörg hat doch von Siegfried den Merkur-Stahlbaukasten bekommen. Bisher ließ ich ihn noch nicht damit spielen, weil ich meinte, er sei noch zu klein dazu. Nach langem Bitten hat er ihn gestern einmal nehmen dürfen und er bringt wirklich nach den Vorlagen Sachen zusammen. Gestern eine Tragbahre und eine fahrbare Leiter, heute schon eine Seilbahn. Jörg hat einfach dazu Geschick. Er geht mit dem Schraubenzieher um, als hätte er ihn schon immer benutzt, um diese Modelle zusammen zu schrauben.
Von dem gesandten Dauerbrot haben wir gegessen. Es war noch ganz frisch und schmeckte sehr gut. Ich möchte dir nochmals dafür danken.
Nun laß mich wieder schließen. Ich grüße und küsse dich herzlich und denke immer an dich, Deine Annie.

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