Mein liebster Ernst! Konstanz,
19.6.42
Am Nachmittag erhielt ich Deine lieben Briefe vom 5., 6. Und
7.6. Ich danke dir dafür.
Ja, unsere Lauser sorgen immer wieder dafür, daß mir die
Arbeit mit den Schuhen nicht ausgeht. Neben anderem verlieren sie besonders
gern die Eisen. Da ich doch nicht mehr so viel bekomme, wie früher, habe ich zu
den Kindern gesagt, wenn sie noch gute Schuheisen finden, sollen sie die mit
heimbringen. Bis jetzt haben sie schon 25 Stück gebracht, die ich teilweise schon
wieder verwenden konnte.
Wegen Büsings und Schwehrs rege ich mich gar nicht mehr auf.
Erst ärgert man sich zwar, aber ich habe mir auch gesagt, es ist alles nur der
Neid, daß wir unsere Sachen in Ordnung haben und zusammenhalten. Das können sie
nicht sehen. Aber ich mache es eben so, daß die Leute mich Luft sind. Mit
gerichtlich belangen hat das keinen Zweck, das tun schon andere und ich meine,
ich komme so weiter.
Die Schrift von Helga ist nicht mehr so schön, wie früher,
wo sie deutsch geschrieben haben. Die lateinische Schrift liegt ihr gar nicht.
Es freut mich, daß das Besteck endlich angekommen ist und daß es dir gefällt.
Die Röhren des Radioapparates haben folgende Bezeichnungen:
Die linke Röhre: VISSEAUX xG25Z6GT, die vordere linke Röhre VISSEAUX 6 Q 7 G,
die vordere rechte Röhre (schwarz) TUNGSRAM 25L6G. Die linke vordere Röhre kann
man selber nicht auswechseln, da sie oben mit einem Kabel verbunden ist,
während man die anderen zwei , die bei angestelltem Apparat glühen, also wohl
auch am meisten abgenutzt werden, einfach herüber ziehen kann.
Wenn Du nochmals 3 Röhren besorgen lassen könntest, wäre es
ja schön. Nur soll sie der Mann auch gut verpacken, damit sie heil ankommen,
denn die werden nicht so billig sein. Du mußt mir dann schreiben, an wen ich
das Geld schicken soll.
Die Zeitungen habe ich nicht so verklebt, wie sie
wahrscheinlich angekommen sind, ich habe die Streifen nur herum gelegt, an die
Zeitung selber habe ich nichts geklebt. Inzwischen habe ich mir ja Kreuzband
besorgt und ich denke, daß die Zeitungen nun nicht mehr so verklebt sein
werden.
Wenn du es noch nicht getan hast, so schreibe doch nicht an
Papa wegen der Zeitung „Das Reich“. Ich habe sie dir doch schon öfter geschickt
und besorge sie dir gern. In Leipzig wird er sie auch nicht einfach bekommen.
Die Bodensee-Rundschau werde ich also abbestellen, wenn du sie nicht willst.
Von den Zündplättchen habe ich für Jörg immer noch welche
aufgehoben. Die Kinder möchten sie ihm nämlich gar zu gern ablocken. Darum
halte ich ihn kurz.
Eine Kerze kann ich dir leider nicht senden, denn die gibt
es hier schon lange nicht mehr. Einige Christbaumlichter habe ich noch da,
davon schicke ich dir ein paar. Zur Not werden sie schon auch gehen. Die
Rasierklingen besorge ich morgen mit.
Die Briefmarken vom Generalgouvernement habe ich in dein
Briefmarkenalbum gelegt. Sie sind ja schon vor längerer Zeit angekommen.
Ich freue mich wirklich, dass ich einige Ersparnisse habe
machen können. Freust Du dich aber auch? Das ist mir nämlich die Hauptsache.
Ich habe mich schon ein paar Mal über was gefreut, aber wenn ich gemerkt habe,
Du freust Dich nicht so, da war´s mir verleidet.
Jetzt weiß ich wirklich nicht, ob du nicht doch ein bißchen
böse bist, daß ich die Grüße zu den Festen immer vergesse. Aber 14 Tage vor
Pfingsten habe ich wirklich noch nicht an das Fest gedacht und auch dann habe
ich es noch vergessen. Die Feste sind mir alle so gleichgültig. Etwas anderes
ist es beim Geburtstag. Da habe ich doch rechtzeitig daran gedacht. Ich hoffe
jedenfalls, daß alles rechtzeitig ankommt, gedacht habe ich an den Geburtstag
ja schon viel länger. Ja, eigentlich denke ich doch das ganze Jahr daran.
Heute waren die Kinder wieder im Turnen. Es gefällt ihnen
jedes Mal sehr gut. Nächstes Mal müssen sie donnerstags gehen und am Freitag
treffen sie sich zum Schwimmen. Es soll noch in der Zeitung stehen, wann und wo
Treffpunkt ist. Ich weiß nun nicht genau, ob sie da schwimmen lernen. Gut wäre
es ja, wenn sie´s bald könnten.
Vorige Woche habe ich ein Buch für uns gekauft „Sagen und
Schwänke vom Bodensee“. Augenblicklich braucht es Helga am meisten, weil sie in
der Heimatkunde jetzt das ganze Bodenseegebiet besprechen und auch auf
verschiedene Sagen zu sprechen kommen.
Unsere Glocken sind jetzt auch geholt worden. Auf dem
Bahnhof stehen ca. 20 Stück große und kleine zum Abtransport bereit. Die Täufer
sind auch wieder da, da kann man wieder zusehen.
Heute gehe ich ganz zeitig schlafen, so ca. ½ 9 Uhr. Ich bin
ganz müd. Lieber stehe ich früh zeitiger auf. Den Brief nehme ich morgen früh
mit.
Ich grüße und küsse dich recht herzlich, Deine Annie.
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