Donnerstag, 22. Juni 2017

Brief 358 vom 19.6.1942


Mein liebster Ernst!                                                               Konstanz, 19.6.42

Am Nachmittag erhielt ich Deine lieben Briefe vom 5., 6. Und 7.6. Ich danke dir dafür.
Ja, unsere Lauser sorgen immer wieder dafür, daß mir die Arbeit mit den Schuhen nicht ausgeht. Neben anderem verlieren sie besonders gern die Eisen. Da ich doch nicht mehr so viel bekomme, wie früher, habe ich zu den Kindern gesagt, wenn sie noch gute Schuheisen finden, sollen sie die mit heimbringen. Bis jetzt haben sie schon 25 Stück gebracht, die ich teilweise schon wieder verwenden konnte.
Wegen Büsings und Schwehrs rege ich mich gar nicht mehr auf. Erst ärgert man sich zwar, aber ich habe mir auch gesagt, es ist alles nur der Neid, daß wir unsere Sachen in Ordnung haben und zusammenhalten. Das können sie nicht sehen. Aber ich mache es eben so, daß die Leute mich Luft sind. Mit gerichtlich belangen hat das keinen Zweck, das tun schon andere und ich meine, ich komme so weiter.
Die Schrift von Helga ist nicht mehr so schön, wie früher, wo sie deutsch geschrieben haben. Die lateinische Schrift liegt ihr gar nicht. Es freut mich, daß das Besteck endlich angekommen ist und daß es dir gefällt.
Die Röhren des Radioapparates haben folgende Bezeichnungen: Die linke Röhre: VISSEAUX xG25Z6GT, die vordere linke Röhre VISSEAUX 6 Q 7 G, die vordere rechte Röhre (schwarz) TUNGSRAM 25L6G. Die linke vordere Röhre kann man selber nicht auswechseln, da sie oben mit einem Kabel verbunden ist, während man die anderen zwei , die bei angestelltem Apparat glühen, also wohl auch am meisten abgenutzt werden, einfach herüber ziehen kann.
Wenn Du nochmals 3 Röhren besorgen lassen könntest, wäre es ja schön. Nur soll sie der Mann auch gut verpacken, damit sie heil ankommen, denn die werden nicht so billig sein. Du mußt mir dann schreiben, an wen ich das Geld schicken soll.
Die Zeitungen habe ich nicht so verklebt, wie sie wahrscheinlich angekommen sind, ich habe die Streifen nur herum gelegt, an die Zeitung selber habe ich nichts geklebt. Inzwischen habe ich mir ja Kreuzband besorgt und ich denke, daß die Zeitungen nun nicht mehr so verklebt sein werden.
Wenn du es noch nicht getan hast, so schreibe doch nicht an Papa wegen der Zeitung „Das Reich“. Ich habe sie dir doch schon öfter geschickt und besorge sie dir gern. In Leipzig wird er sie auch nicht einfach bekommen. Die Bodensee-Rundschau werde ich also abbestellen, wenn du sie nicht willst.
Von den Zündplättchen habe ich für Jörg immer noch welche aufgehoben. Die Kinder möchten sie ihm nämlich gar zu gern ablocken. Darum halte ich ihn kurz.
Eine Kerze kann ich dir leider nicht senden, denn die gibt es hier schon lange nicht mehr. Einige Christbaumlichter habe ich noch da, davon schicke ich dir ein paar. Zur Not werden sie schon auch gehen. Die Rasierklingen besorge ich morgen mit.
Die Briefmarken vom Generalgouvernement habe ich in dein Briefmarkenalbum gelegt. Sie sind ja schon vor längerer Zeit angekommen.
Ich freue mich wirklich, dass ich einige Ersparnisse habe machen können. Freust Du dich aber auch? Das ist mir nämlich die Hauptsache. Ich habe mich schon ein paar Mal über was gefreut, aber wenn ich gemerkt habe, Du freust Dich nicht so, da war´s mir verleidet.
Jetzt weiß ich wirklich nicht, ob du nicht doch ein bißchen böse bist, daß ich die Grüße zu den Festen immer vergesse. Aber 14 Tage vor Pfingsten habe ich wirklich noch nicht an das Fest gedacht und auch dann habe ich es noch vergessen. Die Feste sind mir alle so gleichgültig. Etwas anderes ist es beim Geburtstag. Da habe ich doch rechtzeitig daran gedacht. Ich hoffe jedenfalls, daß alles rechtzeitig ankommt, gedacht habe ich an den Geburtstag ja schon viel länger. Ja, eigentlich denke ich doch das ganze Jahr daran.
Heute waren die Kinder wieder im Turnen. Es gefällt ihnen jedes Mal sehr gut. Nächstes Mal müssen sie donnerstags gehen und am Freitag treffen sie sich zum Schwimmen. Es soll noch in der Zeitung stehen, wann und wo Treffpunkt ist. Ich weiß nun nicht genau, ob sie da schwimmen lernen. Gut wäre es ja, wenn sie´s bald könnten.
Vorige Woche habe ich ein Buch für uns gekauft „Sagen und Schwänke vom Bodensee“. Augenblicklich braucht es Helga am meisten, weil sie in der Heimatkunde jetzt das ganze Bodenseegebiet besprechen und auch auf verschiedene Sagen zu sprechen kommen.
Unsere Glocken sind jetzt auch geholt worden. Auf dem Bahnhof stehen ca. 20 Stück große und kleine zum Abtransport bereit. Die Täufer sind auch wieder da, da kann man wieder zusehen.
Heute gehe ich ganz zeitig schlafen, so ca. ½ 9 Uhr. Ich bin ganz müd. Lieber stehe ich früh zeitiger auf. Den Brief nehme ich morgen früh mit.
Ich grüße und küsse dich recht herzlich, Deine Annie.

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