Sonntag, 18. Juni 2017

Brief 351 vom 11.6.1942


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 11.6.42

Zwei liebe Briefe erhielt ich heute von dir, vom 31.5. und 1.6. Nach ihnen zu schließen, bekommst du ja nun wieder regelmäßig Briefe von uns und das freut mich sehr. Die Beschreibung vom Muttertag hast du also bekommen und wunderst dich, wie Helga das Herz gemalt hat. Wir schicken dir mal ein Muster mit. Du brauchst das Herz nur auf ein Papier zu legen und mit dem Finger leicht die Farbe vom Herz aufs Papier zu streichen. Die Wirkung ist doch aber ganz nett, nicht wahr?
Wenn es dir nichts ausmacht, werde ich den Bienenkasten auch mal mit beseitigen. Wir brauchen ihn in nächster Zeit ja nicht und es hat keinen Zweck, so viel herum stehen zu haben.
Der Apfelbaum hat gut angesetzt und ich hoffe, dass wir Äpfel bekommen. Von den Erdbeeren haben wir in den letzten drei Tagen 4 Pfund geerntet. Die hinter dem Haus angepflanzt sind, machen sich gut heraus. Sie tragen auch schon ganz schön. Mit den Brombeeren ist dieses Jahr nicht so viel los. Hier in der ganzen Umgebung sind die meisten erfroren. Neue Triebe hat es ja viel.
Fliegenfänger habe ich erst mal 4 Stück besorgt und sende sie dir zu. Inspiroltabletten sind ja schon auf dem Weg. Ich werde aber mal zusehen, ob ich noch so Emser-Pastillen bekomme.
Den Brief an Kurt werde ich ihm morgen geben. Heute ist er in Meersburg. Ich habe ihm dazu deine grünen Knickerbocker, Strümpfe und deinen alten Pullover borgen müssen, da er nur seine Sonntagssachen da hatte und damit nicht durch den Wald streifen kann. Du wirst sicher nichts dagegen haben, glaube ich.
Am Nachmittag war ich in der Stadt, habe zwei Zeitungen aan Dich geschickt und zwei weitere besorgt, die ich am Nachmittag weg gesandt habe. Am Nachmittag habe ich im Garten geschafft. Durch den Regen der letzten Tage ist alles fest gewachsen, leider auch das Unkraut. Da habe ich mich erst mal darüber gemacht. Dabei haben auch die Kinder geholfen. Dann habe ich Busch- und Stangenbohnen gehäufelt und zuletzt die Kartoffeln. Damit bin ich nun auch fertig.
Heute hat die Lehrerin gefragt, wer später mal in die höhere Schule soll. Helga hat nicht den Finger gestreckt. Da hat die Lehrerin gefragt „da kommst du sicher in die Hauptschule, wer da hin kommt, kann stolz sein.“ Die Hauptschule ist doch eine neue Einrichtung. 1/3 der Volksschüler wird dafür ausgelesen. Für die höhere Schule halte ich Helga nicht so geeignet, sie ist nicht so kräftig. Sie ist jetzt schon manchmal so nervös. Auch fällt ihr das Kofrechnen etwas schwer. Was meinst du zu der ganzen Sache? Es hat ja, soviel ich weiß, noch ein Jahr Zeit. Aber wenn in der Schule gefragt wird, können wir uns ja auch einmal damit beschäftigen.
Vorhin kam Vater und brachte uns ein halbes Brot von Fricks mit. Er sagt, er brauche es nicht, da er noch Brot da habe. Ich aber bin um das Brot froh.
Nun laß mich für heute wieder schließen. Ich grüße und küsse dich recht herzlich, Deine Annie.

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