Mein liebster Ernst! Konstanz, 11.6.42
Zwei liebe Briefe erhielt ich heute von dir, vom 31.5. und
1.6. Nach ihnen zu schließen, bekommst du ja nun wieder regelmäßig Briefe von
uns und das freut mich sehr. Die Beschreibung vom Muttertag hast du also
bekommen und wunderst dich, wie Helga das Herz gemalt hat. Wir schicken dir mal
ein Muster mit. Du brauchst das Herz nur auf ein Papier zu legen und mit dem
Finger leicht die Farbe vom Herz aufs Papier zu streichen. Die Wirkung ist doch
aber ganz nett, nicht wahr?
Wenn es dir nichts ausmacht, werde ich den Bienenkasten auch
mal mit beseitigen. Wir brauchen ihn in nächster Zeit ja nicht und es hat
keinen Zweck, so viel herum stehen zu haben.
Der Apfelbaum hat gut angesetzt und ich hoffe, dass wir
Äpfel bekommen. Von den Erdbeeren haben wir in den letzten drei Tagen 4 Pfund
geerntet. Die hinter dem Haus angepflanzt sind, machen sich gut heraus. Sie
tragen auch schon ganz schön. Mit den Brombeeren ist dieses Jahr nicht so viel
los. Hier in der ganzen Umgebung sind die meisten erfroren. Neue Triebe hat es
ja viel.
Fliegenfänger habe ich erst mal 4 Stück besorgt und sende
sie dir zu. Inspiroltabletten sind ja schon auf dem Weg. Ich werde aber mal
zusehen, ob ich noch so Emser-Pastillen bekomme.
Den Brief an Kurt werde ich ihm morgen geben. Heute ist er
in Meersburg. Ich habe ihm dazu deine grünen Knickerbocker, Strümpfe und deinen
alten Pullover borgen müssen, da er nur seine Sonntagssachen da hatte und damit
nicht durch den Wald streifen kann. Du wirst sicher nichts dagegen haben,
glaube ich.
Am Nachmittag war ich in der Stadt, habe zwei Zeitungen aan
Dich geschickt und zwei weitere besorgt, die ich am Nachmittag weg gesandt
habe. Am Nachmittag habe ich im Garten geschafft. Durch den Regen der letzten Tage
ist alles fest gewachsen, leider auch das Unkraut. Da habe ich mich erst mal
darüber gemacht. Dabei haben auch die Kinder geholfen. Dann habe ich Busch- und
Stangenbohnen gehäufelt und zuletzt die Kartoffeln. Damit bin ich nun auch
fertig.
Heute hat die Lehrerin gefragt, wer später mal in die höhere
Schule soll. Helga hat nicht den Finger gestreckt. Da hat die Lehrerin gefragt
„da kommst du sicher in die Hauptschule, wer da hin kommt, kann stolz sein.“
Die Hauptschule ist doch eine neue Einrichtung. 1/3 der Volksschüler wird dafür
ausgelesen. Für die höhere Schule halte ich Helga nicht so geeignet, sie ist
nicht so kräftig. Sie ist jetzt schon manchmal so nervös. Auch fällt ihr das
Kofrechnen etwas schwer. Was meinst du zu der ganzen Sache? Es hat ja, soviel
ich weiß, noch ein Jahr Zeit. Aber wenn in der Schule gefragt wird, können wir
uns ja auch einmal damit beschäftigen.
Vorhin kam Vater und brachte uns ein halbes Brot von Fricks
mit. Er sagt, er brauche es nicht, da er noch Brot da habe. Ich aber bin um das
Brot froh.
Nun laß mich für heute wieder schließen. Ich grüße und küsse
dich recht herzlich, Deine Annie.
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