Sonntag, 18. Juni 2017

Brief 356 vom 17.6.1942


Mein lieber Mann!                                                              Konstanz, 17.6.42

Gestern Nachmittag erhielt ich deine 3 lieben Briefe vom 8., 9. und 10.6., die du einem Kameraden mitgegeben hast und die deshalb so schnell hier waren. Ich habe mich sehr gefreut. Es ist einfach schön, wenn ich mal so schnell liebe Grüße von dir bekomme.
Wie du das Bild vom Ausblick vom Fürstenberg dir in Gedanken ausmalst, so ist es wirklich gewesen und man meint fast, du seist hier gewesen. Schön ist es ja hier, man kann sich gar nicht satt sehen. Und sauber, nicht so ein Dreck wie dort.
Ich freue mich auch immer, wenn die Kinder schon fleißig helfen. Das Unkraut rausmachen im Garten ist ja nicht so beliebt, aber wenn wir alle zusammen schaffen, geht’s schon. Nötig ist es ja immer wieder.
Daß Jörg mit dem Metallbaukasten spielen kann, freut mich auch. Da kann er sich doch im Winter manche Stunde damit unterhalten. Die selber gemachten Briefumschläge kommen hier immer ordentlich an. Du kannst sie also gut verwenden.
Geimpft wirst du ja jetzt genug, und Tabletten mußt du auch noch schlucken. Aber es wird ja wohl nötig sein, denn gerade diese Krankheiten, gegen die das alles gemacht wird, sind ja so schwer. Gerade von Malaria habe ich erst kürzlich etwas gelesen. Man bekommt diese Krankheit ja nicht mehr los, und es gibt nur Mittel, sie zu unterdrücken, aber endgültig heilen kann man sie noch nicht.
Daß Du aus Zerbst zur Ahnenforschung wieder 4 Urkunden erhalten hast, wußte ich noch nicht. Vielleicht hast Du´s geschrieben, aber ich habe die Briefe noch nicht. Mich wundert es , dass die Pfarrämter im Krieg auch noch Urkunden ausstellen. Aber es ist schön, wenn wir wieder ein Stück weiter kommen. 
Darüber, dass ich dir unsere Inspirol-Tabletten mitgeschickt habe, brauchst du Dir wirklich keine Gedanken zu machen. Es gibt ja noch andere Sachen, z.B. so gummiähnliche Halspastillen, die du sicher nicht so gern magst, die uns aber ganz gut schmecken. Die haben wir jetzt da.
Du gehst auf den Brief von Papa ein. Mir erscheint Papa auch manchmal unberechenbar. Erst kommt er mit Erna nicht aus, dann sollen sie dort wohnen bleiben. Erst will er am Kriegsende heiraten, dann gleich nach dem Trauerjahr. Mir kommt es vor, als hätte ihn das Fräulein schon richtig unter der Fuchtel. Denk dir mal, was das wird, wenn die alte Frau noch mit in die Wohnung zieht. Mal sehen, wie lange es Papa passen wird. Nein, ein zuhause ist das für uns nicht mehr.
Daß du mit dem einverstanden bist, was ich geschrieben habe, ist mir eine Erleichterung. Weißt Du, es ist manchmal schwer. Früher konnte ich mich einfach auf dich verlassen. Du hast immer das Richtige getroffen, und ich habe mich dabei so geborgen gefühlt. Aber jetzt, wo die Briefe so lange unterwegs sind, kann ich dich ja nicht erst fragen, was ich tun soll. Inzwischen habe ich ja nun auf Siegfrieds Brief geantwortet, habe an Erna geschrieben und sie hat mir sehr verständig geantwortet. Ich werde ja nun sehen, was weiter wird.
Papa hat ja noch Nichts wieder von sich hören lassen. Wenn ich ihm alles geschrieben hätte, was ich denke, wäre es ja zu keiner Verständigung gekommen. Denn weißt Du, ein Bisschen könnte das Fräulein auf die Gefühle von uns schon Rücksicht nehmen und nicht schon jetzt in der Wohnung herumwirtschaften und sogar zu Pfingsten schon dort schlafen.
Was hat Papa früher immer von seiner Erna gesprochen und daß die Leute nichts zu reden haben sollen. Jetzt ist es ihm auf einmal wurscht. Und dass das Fräulein gleich mit nach Neustadt fährt. Das ist eigentlich schon eine Frechheit. Ach, ich hätte noch manches auf dem Herzen, aber es lohnt sich ja nicht, dass ich mich wieder aufrege. Ich stelle mir immer vor, es sind ganz fremde Leute, die mich nichts angehen. Da komme ich am besten zurecht.
Ganz fest kann ich es ja noch nicht versprechen, dass ich Papa nicht doch mal meine Meinung schreibe, wenn es mir zu dumm wird.
In deinem Brief schreibst du, dass ich eben auf den Bescheid vom Wittenburg warten muß, ehe ich das Geld weg schicke. Nun ist dieses ja schon eine Weile unterwegs, denn auf Bescheid kann ich wohl vergeblich warten. Die Dienststelle kann ja schließlich nichts anderes tun, als evtl. das Geld zurück schicken, wenn sie es nicht weiterleiten kann oder will.
Bei den Stiefeln drück es mir nicht direkt an den Waden, sondern mehr in den Kniekehlen, wo die Stiefel enger werden. Ich werde mich mal erkundigen, on man sie abändern kann.
Wenn auch der Bezug von Magermilch eingeschränkt ist, zur Herstellung von Pudding oder Gries langt es immer noch, bekomme ich doch 3 x ½ l Magermilch und 2 x ¼ l Vollmilch  pro Tag, also insgesamt 1 ¼ l. Da kann man schon noch mit auskommen.
Mit den Pralinen haben wir uns ja nichts abgespart. Das war doch dein Teil von Ostern, wie wir es auch gehabt haben. Du gehörst doch schließlich zu uns, nicht wahr?
Morgen Mittag 13.20 Uhr fährt Kurt wieder nach Karlsruhe. Sein Urlaub ist herum. Er will aber nochmals ein Gesuch einreichen, da er nur 14 Tage Urlaub hatte. In letzter Zeit hat Kurt davon gesprochen, dass er nach dem Krieg heiraten will. Er habe es satt, so weiter zu leben, wie vor dem Kriege, das er nirgends richtig hin gehört. Scheinbar kennt er auch ein Mädel, die ihm gut gefällt, denn er war ein paar Mal mit ihr fort. Gefragt habe ich ihn aber nicht darum. Wenn er´s sagen will, wird er´s schon selber erzählen.
Heute haben wir auf die Mangelwaren-Karte pro Person ½ Pfund Kirschen bekommen. Da habe ich zum Abendbrot einen Kirschenmichel gebacken. (Das ist ein Kuchen aus in Milch geweichten Brötchen mit Butter, Zucker, Eiern und Kirschen) Auf einen anderen Abschnitt bekomme ich wahrscheinlich morgen nochmals das gleiche Quantum. Daraus mache ich Marmelade. Da braucht man doch so wenig Zucker dazu.
Doch nun will ich schlafen gehen. Es ist bereits ¾ 11 Uhr. Bleib recht gesund und sei herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

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