Sonntag, 18. Juni 2017

Brief 354 vom 14.6.1942


Mein lieber Ernst!                                                   Konstanz, 14.6.42

Nachdem ich bereits deine Briefe bis zum 1.6. erhalten habe, kamen heute zwei Bummelanten nach, die Briefe vom 24. Und 25.5. Ich habe mich aber trotzdem noch gefreut. Du bittest um Zahnpasta. Hier gibt es ja keine mehr zu kaufen, aber ich hatte noch eine Tube Clorodent von Siegfried da, die ich heute für Dich verpackt habe. Ich muß morgen noch abwiegen, ob sie nicht zu schwer ist. Für uns habe ich ja noch die französische Zahnpasta da. Da du schreibst, dass du dort schon Zigaretten brauchen kannst, schicke ich morgen 3 Schachteln weg.
Da du dir ca. 100 Briefumschläge gemacht hast, werde ich mit dem Zusenden weiterer Umschläge einstweilen aufhören. Sonst hast Du so viel dort, dass du nicht weißt, wohin damit.
Oh, ich bin gar nicht böse, wenn du einen Brief einem Kameraden mitgeben kannst und er zeitiger eintrifft. Da weiß ich doch, dass du gesund bist und erwarte dann mit etwas mehr Ruhe deine anderen Briefe.
Gegessen habt ihr ja zu Pfingsten nicht schlecht. Da bekommt man selber Appetit. Ich bin froh, dass es dir in dieser Beziehung gut geht.
Tee haben wir dieses Jahr schon ziemlich gesammelt, wenn auch nicht so viel Schlüsselblumen. Man nimmt eben, was es gibt.
Die Kinder in der Schule sammeln ja den Tee für die Soldaten. Wenn alle Schulen in Deutschland sammeln, kommt schon was zusammen.
Mit dem Senden von Lebensmitteln ist es jetzt im Sommer bei der langen Beförderungszeit ja nichts. Du wirst dort ja auch kaum etwas bekommen. Es war mir ja eine große Freude, dass du mir noch die Butter schicken konntest. Das war lieb von dir. Aber auch das ginge ja jetzt nicht mehr.
Wir waren heute beim Bannsportfest. Es war ganz unterhaltend. Du warst ja auch schon mit und kannst es dir ungefähr vorstellen. Auf dem Hinweg zum Stadion trafen wir an der ev. Kirche den Musikzug der H.J., was die Kinder ganz besonders gefreut hat. So konnten wir mit ihm zum Stadion marschieren. Das Wetter hat bis zum Schluss ausgehalten, dann allerdings fing es zu regnen an, was uns aber nichts machte, da wir die Regenmäntel mitgenommen hatten. Heimzu sind wir wieder mit dem Musikzug bis zur Kirche gelaufen. ¾ 7 waren wir daheim und haben Abendbrot gegessen. Nun, ½ 9, gehen die Kinder ins Bett. Ich mache es ihnen bald nach, denn ich bin auch müd geworden.
Nun grüße und küsse ich dich wieder recht herzlich Deine Annie.

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