Sonntag, 18. Juni 2017

Brief 352 vom 12.6.1942


Mein lieber, lieber Ernst!                                          Konstanz, 12.6.42

Ich danke dir vielmals für deinen lieben Brief vom 30.5., in dem du mir noch den langen Brief beantwortest.
Ja, im Garten bin ich mit allem fertig geworden. Den Salat, den wir jetzt gegessen haben, hast du im vergangenen Jahr gesetzt. Der neue ist noch nicht soweit. Das Bohnenstangen fertig machen hatte mich schon ein bißchen geschlaucht, aber ich habe es ja fertig bekommen. Ich wollte nicht bis spät abends warten, dass Vater dann anfing. Du weißt ja, er macht dann alles erst so umständlich.
Die Zeitungssendungen von dir vermisse ich schon. Aber dafür habe ich jetzt die große Freude, dir welche schicken zu können. Das freut mich so, du glaubst es gar nicht. Hoffentlich macht es dir auch ein wenig Freude, denn wie ich heute wieder aus deinem Brief lese, seid ihr ja dort mit Lesestoff schlecht versorgt.
Das Geld an den Henkes, bzw. an die Dienststelle, schicke ich nun fort, nachdem du nun geschrieben hast, dass es schon richtig wäre. Der Wittenburg hat mir ja bisher nicht geantwortet und ich habe mich scheinbar doch getäuscht, als ich meinte, du hättest wegen der Restschuld nach Frankreich geschrieben. 70.-Mk. bringe ich auf den Weg. Wegen dem Rest erkundigst du dich doch wohl selber? Den kann man ja vielleicht später noch schicken.
Den anderen Handarbeitsunterricht besucht Helga jetzt nicht mehr, da sie mit ihrer Arbeit fertig ist und die neue beginnen sie erst. Es kommt eben darauf an, wie sie wieder nachkommt. Das Bratkartoffeln braten hatte ich ihr nicht gezeigt, aber sie sagte, sie hätte ja schon gesehen, wie ich es mache. Beim Kuchen backen hat sie fleißig mitgeholfen, nur das kneten wollte noch nicht so gehen. Da fehlt die Übung noch.
Die Patronen hat Jörg ja nicht mehr, weil er dafür das Seitengewehr eingetauscht hat. Wenn Du noch etwas Zwiebelsamen bekommen hast, so reicht er mir gut. Ich habe ja bisher erst eine Tüte verbraucht, damit ich nächstes Jahr noch etwas habe.
Nachdem ich den neuen Tarif im Licht habe, spüre ich die Erhöhung des Lichtverbrauchs nicht mehr so. Wenn der Apparat mehr so Strom verbraucht, so habe ich beim hören aber auch mehr Genuß, als beim alten Radio, wo man immer die Ohren spitzen musste, um etwas zu verstehen. Und der Ton ist auch viel schöner.
Ich sende dir heute ein Kurzgeschichtenheft mit. Es sind gute Sachen und kein Kitsch. Wenn Du´s gelesen hast, kannst du es ja wegwerfen.
Für heute grüße und küsse ich dich wieder recht herzlich und bin in Gedanken immer bei dir, Deine Annie.

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