Freitag, 9. Juni 2017

Brief 348 vom 8.6.1942


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 8.6.42 

Heute bekam ich drei Briefe von dir. Alle kommen durcheinander an. Es waren die vom 17., 18. und 29. (Bis zum 23.5 habe ich jetzt alle Briefe) es fehlen vom 23. an noch die Briefe vom 24., 25., 27. und 28. Wenn diese ankommen, werde ich dann wissen, wann du die erste Post von uns bekommen hast.
Leider ist der Brief vom 18. so lange unterwegs gewesen, dass ich dir nun erst heute die gewünschte Badehose, Sporthose, Schulterstücke, Zwirn und Sicherheitsnadeln schicken kann. Die beiden Hosen und Schulterstücke konnte ich nur als Päckchen wegschicken, sodass du wohl 3 – 4 Wochen darauf warten kannst, was mir sehr leid tut, da du die Sachen ja jetzt schon gebrauchen könntest.
Ich freue mich immer wieder, dass ich dir den kleinen Brief vorher geschrieben hatte. Die Päckchenangelegenheit hat sich ja nun erledigt, nur die Geldsache noch nicht, und das macht mir noch Sorgen, vor allen Dingen, wo mir nun Kurt sagte, dass ich das Geld einfach an die Einheit hätte schicken können, wie du mir geschrieben hast. Du wirst dir sicher gedacht haben „oh, wie ungeschickt stellt sich das Mädel an.“ Aber vorläufig unternehme ich mal nichts, denn du wirst mir ja bald davon schreiben.
Es ist recht, dass du auf Papas Brief nicht erst antwortest, so ist ja soweit alles geregelt. Erna hat mir heute auch geschrieben. Sie meint auch, Papa muss ja wissen, was er tut.
Dass es mir erst nicht ganz recht war, dass du in Leipzig warst, musst du mir nicht mehr übel nehmen. Ich war direkt ein bisschen neidisch. Ich hätte dich ja so gern hier gehabt, ich musste immer daran denken, wie lange ich dich jetzt nicht sehe. Denn mit Urlaub ist ja nicht gleich zu rechnen, vor allem, wo du jetzt in Russland bist. Das machte mir das Herz ganz schwer und es waren keine leichten tage für mich. Aber ich habe ja dann eingesehen, dass für dich die eingelegte Ruhepause in der Fahrerei gut war.
Das Essen ist bei Euch, wie ich aus deinen Briefen ersehe, wirklich ganz gut. Nutze die gute Zeit nur aus, wer weiß, wie lange es so bleibt.
Am 29. hattest du ja wiederholt Post von uns erhalten. Du glaubst gar nicht, wie sehr mich das freut. Es muss ja so quälend sein, solch lange Zeit keine Briefe zu bekommen. Du warst ja immer so lieb und hast mich nie so lange warten lassen. Aber ich konnte dir ja leider nicht eher schreiben.
Bezüglich meines Vaters hast du recht. Er hat sich eben noch nie unterordnen müssen. Meine Mutter hat sich ja auch stets nach ihm gerichtet. Aufregen tue ich mich wegen der Sache nicht mehr.
Mit dem Strauß zum Muttertag hast du mir eine ganz große Freude gemacht. Geld hätte mich wirklich nicht so gefreut, da hast du recht. So war es für mich richtig ein wunder, besonders, da ich geglaubt hatte, du würdest, abgelenkt durch die Veränderungen, in die du gekommen bist, gar nicht an den Tag denken.
Ja, unsere Helga ist schon so groß, dass sie mir helfen kann. Sie wird ja auch schon 10 Jahre alt. Ich habe ihr dein Lob vorgelesen und sie hat sich sehr gefreut.
Die Abschrift des Prüfungsscheines vom Kurs sende ich dir morgen mit, da ich heute den Zwirn mitschicke.
Gestern Abend war der Vorschaltwiderstand kaputt gegangen. Ich habe ihn gleich heute Morgen zum Radio-Mayer gebracht und bekam ihn heute Abend wieder. Er hat schon in den letzten Tagen manchmal ausgesetzt. Wie mir gesagt wurde, ist der eine Steckerstift locker geworden und hat sich gedreht, wenn ich den Stecker aus der Dose zog. Da ist inwendig der Draht gerissen. Heute Abend können wir schon wieder Radio hören und es gefällt mir immer von neuem. Mit dem Radio hast du uns ja auch eine große Freude gemacht.
Am Nachmittag waren wir im Kino. Ich habe mir den „Blaufuchs“ mit der Zarah Leander angesehen. Das war sehr schön.
Im garten habe ich nicht gießen müssen. Gestern und heute hat es noch Gewitter mit ziemlich Regen gegeben. Aber an´s Kartoffeln häufeln muss ich mich bald machen. Die ersten erdbeeren haben wir auch schon gehabt. Wir haben sie mit großem Genuß gegessen. Da wir dieses Jahr so viel Erdflöhe im großen Garten haben, die die Setzlinge furchtbar zurichten, habe ich ein Mittel dagegen gekauft. Bei den vielen Setzlingen reicht die Tabakasche von Vater nicht aus.
Nun ist es ¾ 11 Uhr geworden und ich will meinen Brief schließen. Ich grüße und küsse dich, mein lieber Mann, recht herzlich, Deine Annie.

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