Mittwoch, 24. Mai 2017

Brief 333 vom 24.5.1942


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 24.5.42

Deinen lieben Brief vom 11.5. habe ich heute erhalten. Nun hast Du also ein festes Arbeitsgebiet bekommen. Wenn auch deine Tüchtigkeit für mich keiner Bestätigung bedarf, so habe ich doch eine große Freude an dem Lob des Oberinspektors und des Oberst und bin stolz auf dich, dass du die Aufgaben meisterst.
Du schreibst, dass es bei Euch nicht warm werden will. Nun hörte ich gestern im Radio, daß bei Charkow bis zu 30 Grad Wärme herrscht. Ist das jetzt bei Euch auch der Fall?
Den Brief an Kurt hebe ich auf, bis ich seine neue Adresse weiß, oder bis er her kommt.
Schönes Pfingstwetter herrscht bei uns nicht, es regnet. Aber ich bekam heute noch ein Zeitungspaket von Papa. Da habe ich ja zu lesen. Die zwei Bücher „Bodenseebuch“ und „Krieg im Westen“ von dir lagen auch bei. Von Erna, bzw. Erna und Siegfried, kam ein Buch an „Luftwaffe von Sieg zu Sieg“ mit einer Widmung „Unseren Lieben gewidmet Erna und Siegfried“. Eine Karte lag bei, in der Erna schreibt: “…dass ich noch nicht geschrieben habe, wirst du, glaube ich, verstehen. Nach den Feiertagen bekommst du dann einen ausführlichen Brief…“ Und darauf warte ich jetzt wirklich. Ich möchte gern wissen, was sie zu schreiben hat. Und damit komme ich nochmals auf die Heiratsgeschichte. Du hast ja sicher inzwischen Papa´s Brief und meine Antwort erhalten. Da wirst du ja gesehen haben, dass ich auf manches in Papas Brief nicht eingegangen bin. Und mit Absicht, denn es führt zu nichts und ich ärgere mich nur noch mehr. Aber mit dir möchte ich deshalb doch noch einmal davon reden. Hast Du eigentlich gefunden, dass mein vorhergehender Brief beleidigend gewesen ist? Hast Du gemerkt, dass er erst schreibt, er sei mit Siegfried überein gekommen, bis Ende des Krieges mit der Heirat zu warten (so schrieb mir auch Siegfried, Papa schreibt ja jetzt „evtl.“), und hinterher gleich schreibt er vom heiraten im Oktober oder November? Hast Du gemerkt, dass er schreibt, er hätte nicht an´s heiraten gedacht, wenn nicht alles anders gekommen wäre, als er dachte, denn Erna würde seit 1 – 2 Monaten nicht mehr so für ihn sorgen? Aber vom heiraten war ja schon vorher die Rede. Ich kann Erna einesteils auch verstehen, denn wenn man sieht, man wird so langsam zur Seite gedrückt, hat man auch zu nichts mehr die rechte Lust. Ich bin sicher, dass Papa auch mit daran schuld ist. Dann schreibt Papa, wie es uns passen würde, wenn man uns von vor herein verdammen würde, das würde uns auch weh tun. Ich glaube, daran hat es uns, vor allem auch dir, von seiner Seite aus nicht gefehlt. Was hat er dir alles vorgeworfen, trotzdem er dich noch gar nicht richtig kannte. Ich bin auf alle diese Sachen nicht eingegangen, weil ich, wenn es geht, einen offenen Bruch vermeiden will. Es gäbe doch ein ewiges hin und her und ich bin der ganzen Sache müde. Es ist jetzt wieder etwas besser, aber in letzter Zeit hatte ich jedes Mal, wenn so ein Brief kam, so Kopfweh, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Ich werde ja nun sehen, was Papa schreibt. Sollte er mir wieder Vorwürfe machen, wo ich doch bestimmt friedfertig geschrieben habe, dann ist meine Geduld auch zu Ende. Solltest Du noch etwas schreiben wollen, so ist mir das, was du schreibst, natürlich jederzeit recht, denn ich gehöre zu dir. Im Allgemeinen bin ich der Meinung, dass das ganze reden gar keinen Zweck bei dieser Sache hat. Doch nun genug davon.
Dein erstes Päckchen mit Dauerbrot ist heute früh auch gut angekommen. Ich danke dir sehr dafür.
Von den Illustrierten Zeitungen, die Papa geschickt hat, sende ich dir auch einige hin. Wenn sie auch nicht ganz neu sind, interessieren werden sie dich vielleicht doch noch und vielleicht auch noch deine Kameraden.
Nun lass mich schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.


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