Freitag, 19. Mai 2017

Brief 328 vom 18.5.1942


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 18.5.42

Heute sende ich dir die Durchschläge der Briefe an Kurt, Elsa und Siegfried mit, sowie Siegfrieds Brief. Gestern Nachmittag habe ich mich noch zum schreiben hingesetzt. Gegen Abend bin ich mit den Kindern noch ein kleines stück spazieren gegangen, bis zum Wald hinter, den Weg zum Bismarckturm hinauf und durch den Friedhof heim. Gestern haben wir mal üppig gelebt, früh Kuchen (sonst gibt es jetzt sonntags Brötchen), zu Mittag Kartoffeln, eigener Spinat, Fleisch, grüner Salat, auch eigener Ernte. Am Nachmittag Pudding und noch Quarkkuchen. Heute hatten wir auch wieder Salat. Die Kinder sind ganz toll darauf. Denk mal, im Gemüsegeschäft kostet ein Salat 34 Pfg. Wenn wir ihn hätten kaufen müssen, wären heute allein 136 Pfg. futsch. Ein eigener Garten ist doch was wert.
Weil ich gerade beim Garten bin. Am Samstag hat Herr Leimenstoll den Weg zwischen ihrem und unserem Garten umgegraben. Er hat ihn etwas enger gemacht. Dadurch haben wir noch etwas Land mehr. Nun hatte Vater schon mal ein langes Brett von seinem Garten mitgebracht. Dazu habe ich mir von ihm noch eins erbeten (er zersägt sie sonst nur), und habe den Garten auch am unteren Ende eingefasst. Da ich nun die erde bis an´s Brett tun kann, macht der Landgewinn ca. 50 – 60 cm aus. Das ist doch ganz fein, nicht wahr? Dort unten wächst es ja gut, weil viel Sonne hin kommt, und so habe ich heute gleich noch Möhren und Erbsen hingesät. Gurken habe ich heute auch gesät.
Helga ist heute mit einer Schulfreundin und Jörg auf den Bismarckturm gegangen. Dort wollen sie spielen. Jörg ist heute zum ersten Mal barfuß. Die Haare habe ich ihm vorhin auch gleich noch geschnitten, damit er nicht so schwitzt.
Morgen gehen wir wahrscheinlich mal in den Wald und holen ein paar Zapfen. Zum anfeuern sind sie immer ganz gut. Tee suchen gehen wir auch mal wieder, denn den anderen haben wir bald fertig getrocknet, sodass wieder Platz da ist.
Der Strauß von dir steht in der Stube und duftet herrlich. Auch von meinem Platz in der Küche aus kann ich ihn sehen, dazu dein Bild. Ich freue mich immer wieder, dass du so lieb warst.
Ich muß nun noch in die Stadt fahren und schließe deshalb. Sei wieder recht herzlich gegrüßt und vielmals geküsst von Deiner Annie.

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