Mein liebster Ernst! Konstanz,
9.5.42
Nun will ich dir auf deinen lieben Brief vom 22. weiter
antworten. Heute Nachmittag hatte ich ja den anderen Brief bald abgeschlossen,
da wir noch in den Wald gehen wollten zum Tee pflücken. Wir haben auch viel
Spitzwegerich, Goldnessel und Salbei gefunden. Gänseblümchen sammeln wir jetzt
auch, die Köpfchen davon. Die Kinder gehen mit ihrer Klasse auch jede Woche
einen Tag zum Gänseblümchen sammeln. Wenn die Kinder jetzt heim kommen, bringen
sie mir meist auch welche mit.
Nun zu deinem Brief. Die vielen Eier, die da an den
Stationen von der Bevölkerung angeboten werden, könnten wir hier brauchen. D.h.
ganz knapp sind wir in diesen Monaten auch nicht damit. Pro Person gibt es im
Monat 5 – 6 Eier. Damit kann man schon auskommen.
Jetzt siehst du das Sowjetparadies also mit eigenen Augen
und es macht keinen erhebenden Eindruck auf dich. Man kann es sich hier, wo
doch Ordnung herrscht, gar nicht vorstellen, wie schlimm es dort sein muss.
Mit der Jüdin aus dem Elternverein wirst du wahrscheinlich
die Marianne Weinhold meinen, die ist mit mir in einer Klasse gewesen. Das war
der Clown unserer Klasse. Das hätte ich bestimmt nicht gedacht, dass die Jüdin
sei.
Es ist ja allerhand, wenn jemand für 3 Zigaretten 5.-Mk.
zahlen will. Aber das Geld hat halt für die Soldaten nicht den Wert wie im
frieden, vor allen Dingen, wenn sie sich dort nichts kaufen können. Gerade
wegen dem kaufen. Wenn du etwas brauchst, musst du mir schreiben. Vorläufig
lege ich nur mal ein paar Briefumschläge bei, die du sicher brauchst.
Im letzten Brief habe ich dir doch auch den Durchschlag von
Papas Brief und meiner Antwort mit gesandt. Hast du dich eigentlich über meinen
Brief gewundert? Weißt du, ich habe die ganze Sache so satt. Papa soll machen,
was er will. Schreibe du bitte auch nichts mehr. Ich würde dir deshalb gerne
noch mehr schreiben, aber da sprechen wir wohl lieber später mal persönlich
drüber. Was meinst du dazu, was Papa über Erna schreibt?
Es ist schon ½ 11 Uhr und ich will erst einmal schlafen
gehen. Gute Nacht, mein lieber Mann.
10.5.
Lieber Ernst! Sonntag ist heute. Nachdem es gestern Abend
noch ein Gewitter und Regen gab, ist es heute wieder sonnig und warm. Wir haben
den ganzen Tag das Fenster weit auf und können immer unseren wunderbar
blühenden Apfelbaum sehen. Er ist voller Blüten. Ein schöner Anblick, man muss
immer wieder hin sehen. Die Kinder sind draußen und spielen. Fortgehen tun wir
nicht. Ich bleibe sonntags gern daheim, denn jetzt läuft wieder alles in den
Wald.
Das wollte ich noch schreiben, solltest du zum tauschen noch
mehr Zigaretten brauchen, so musst du schreiben. Ich habe noch mehrere
Schachteln da.
Nun laß mich schließen. Bleib gesund, behalte uns lieb und
sei recht, recht oft herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.
11.5.42
Liebster Ernst! 4 kleine Päckchen sind es die ich heute an
dich abschicke. Vor einigen Tagen habe ich 5 Päckchen mit dem Ostergebäck für
dich weggeschickt. In so kleine Kartons bringt man ja nicht viel hinein, das
Gewicht ist immer gleich erreicht. Einige Stück Gebäck, mit den Buchstaben
darauf, sind von dir. Du hattest sie aus Frankreich mit geschickt. Laß dir
alles gut schmecken. Wir senden dir viele Grüße und Küsse Deine Annie, Helga,
Jörg.
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