Montag, 15. Mai 2017

Brief 321 vom 9./10./11.5.1942


Mein liebster Ernst!                                                               Konstanz, 9.5.42

Nun will ich dir auf deinen lieben Brief vom 22. weiter antworten. Heute Nachmittag hatte ich ja den anderen Brief bald abgeschlossen, da wir noch in den Wald gehen wollten zum Tee pflücken. Wir haben auch viel Spitzwegerich, Goldnessel und Salbei gefunden. Gänseblümchen sammeln wir jetzt auch, die Köpfchen davon. Die Kinder gehen mit ihrer Klasse auch jede Woche einen Tag zum Gänseblümchen sammeln. Wenn die Kinder jetzt heim kommen, bringen sie mir meist auch welche mit.
Nun zu deinem Brief. Die vielen Eier, die da an den Stationen von der Bevölkerung angeboten werden, könnten wir hier brauchen. D.h. ganz knapp sind wir in diesen Monaten auch nicht damit. Pro Person gibt es im Monat 5 – 6 Eier. Damit kann man schon auskommen.
Jetzt siehst du das Sowjetparadies also mit eigenen Augen und es macht keinen erhebenden Eindruck auf dich. Man kann es sich hier, wo doch Ordnung herrscht, gar nicht vorstellen, wie schlimm es dort sein muss.
Mit der Jüdin aus dem Elternverein wirst du wahrscheinlich die Marianne Weinhold meinen, die ist mit mir in einer Klasse gewesen. Das war der Clown unserer Klasse. Das hätte ich bestimmt nicht gedacht, dass die Jüdin sei.
Es ist ja allerhand, wenn jemand für 3 Zigaretten 5.-Mk. zahlen will. Aber das Geld hat halt für die Soldaten nicht den Wert wie im frieden, vor allen Dingen, wenn sie sich dort nichts kaufen können. Gerade wegen dem kaufen. Wenn du etwas brauchst, musst du mir schreiben. Vorläufig lege ich nur mal ein paar Briefumschläge bei, die du sicher brauchst.
Im letzten Brief habe ich dir doch auch den Durchschlag von Papas Brief und meiner Antwort mit gesandt. Hast du dich eigentlich über meinen Brief gewundert? Weißt du, ich habe die ganze Sache so satt. Papa soll machen, was er will. Schreibe du bitte auch nichts mehr. Ich würde dir deshalb gerne noch mehr schreiben, aber da sprechen wir wohl lieber später mal persönlich drüber. Was meinst du dazu, was Papa über Erna schreibt?
Es ist schon ½ 11 Uhr und ich will erst einmal schlafen gehen. Gute Nacht, mein lieber Mann.

10.5.

Lieber Ernst! Sonntag ist heute. Nachdem es gestern Abend noch ein Gewitter und Regen gab, ist es heute wieder sonnig und warm. Wir haben den ganzen Tag das Fenster weit auf und können immer unseren wunderbar blühenden Apfelbaum sehen. Er ist voller Blüten. Ein schöner Anblick, man muss immer wieder hin sehen. Die Kinder sind draußen und spielen. Fortgehen tun wir nicht. Ich bleibe sonntags gern daheim, denn jetzt läuft wieder alles in den Wald.
Das wollte ich noch schreiben, solltest du zum tauschen noch mehr Zigaretten brauchen, so musst du schreiben. Ich habe noch mehrere Schachteln da.
Nun laß mich schließen. Bleib gesund, behalte uns lieb und sei recht, recht oft herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

11.5.42

Liebster Ernst! 4 kleine Päckchen sind es die ich heute an dich abschicke. Vor einigen Tagen habe ich 5 Päckchen mit dem Ostergebäck für dich weggeschickt. In so kleine Kartons bringt man ja nicht viel hinein, das Gewicht ist immer gleich erreicht. Einige Stück Gebäck, mit den Buchstaben darauf, sind von dir. Du hattest sie aus Frankreich mit geschickt. Laß dir alles gut schmecken. Wir senden dir viele Grüße und Küsse Deine Annie, Helga, Jörg.

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