Mein lieber, guter Ernst! Konstanz,
8.5.42
Es ist heute etwas spät geworden, bis ich zum beantworten
deiner Briefe komme, gerade 10 Uhr abends. Am Nachmittag waren wir in der
Stadt. Da haben wir vor allen Dingen den ersten Brief an dich auf die Post
gebracht. Dann sind wir auf die Messe gegangen. Vater hatte gestern Abend den
Kindern je 50 Pfg. gegeben. Die wollten sie doch auch richtig verbrauchen. Jörg
hat sich eine kleine Bombe gekauft, in die man eine Zündkapsel einlegen kann.
Wenn man sie auf den Boden fallen lässt, kracht es. Helga hat sich einen
Sonnenschutz gekauft. Dann gab es noch ein Eis, sie konnten 1 Mal Karussell
fahren und futsch war das Geld. Als wir heim kamen habe ich noch an Papa,
Siegfried und Herrn Wittenburg geschrieben. Die Durchschläge lege ich bei.
Ebenso die anderen Durchschläge, die ich heute vergessen hatte. Hoffentlich ist
dir alles recht.
Nun zu deinen Briefen. Russland zeigt sich dir ja gleich im
richtigen Licht. Dreck, Elend, Wanzen. Das letztere wird Dir ja besonders
unangenehm gewesen sein und du wirst es sicher noch oft erleben. Denn diese
lieben Tierchen sind ja dort gerade keine Seltenheit. Das Kinoerlebnis ist ja
auch selten schön. So eine Vorführung ist wenigstens ein Genuss.
Nun bleibst du doch nicht in Krakau. Vielleicht kannst du
mir mal schreiben, wo du jetzt bist.
Wegen dem Geld habe ich an Herrn Wittenburg geschrieben.
Vielleicht kann er mir den genauen Betrag schreiben, damit wir diese Schulden
bald los werden. Da brauchst du dich später nicht noch darum kümmern.
Vielleicht schreibt er mir auch, an wen ich das Geld
schicken kann, denn einfach an Nr. 38293 geht es doch wohl nicht. Vielleicht
schreibst du auch bald mal an Herrn Wittenburg und dankst ihm für seine
Bemühungen. Dann geht nicht alles von mir aus und er hat dir mehr einen
Freundschaftsdienst erwiesen.
Auf Briefe von uns musstest du ja diesmal lange warten.
Sechs Wochen werden es wohl gewesen sein. Das wird dir auch sehr lang
vorgekommen sein.
Von Kurt erhielt ich heute einen Brief. Er hofft, kurz vor
Pfingsten aus dem Lazarett entlassen zu werden. Er dachte, du seist noch in
Marburg und hatte sich schon vorgenommen, dich später von Karlsruhe aus zu
besuchen. Daraus wird ja nun nichts.
9.5.
Nachdem ich gestern deine Briefe vom 24. und 25. erhielt,
kam heute der vom 22., den du noch auf der Fahrt geschrieben hast. Viele
Erlebnisse hast du ja in letzter Zeit gehabt und es freut mich so, dass du mich
durch deine Briefe daran teilhaben lässt.
Mit Zigaretten ist dort scheinbar ein ganz gutes Geschäft zu
machen, wenn sie dir für 3 Stück gleich 5.-Mk anbieten.
Lieber Ernst, sei mir nicht böse, wenn ich jetzt erst mal
schließe. Wir möchten noch Tee suchen gehen. Der Brief soll aber ½ 5 noch mit
fort. Ich schreibe sicher heute Abend weiter.
Ich grüße und küsse dich vielmals recht herzlich Deine
Annie.
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