Freitag, 19. Mai 2017

Brief 327 vom 17.5.1942


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 17.5.42

Gestern erhielt ich deinen lieben Brief vom 3.5. Mit deiner Erzählung von Eurem Essen machst du uns direkt Appetit. Es freut mich immer wieder, dass du es wenigstens mit dem Essen gut getroffen hast.
Zum Muttertag hat mich dein Brief gerade richtig erreicht, und ich danke dir sehr für deinen lieben Wünsche und den wunderschönen Strauß, den du mir hast bringen lassen. In meiner großen Freude habe ich dir gar nicht geschrieben, dass um den Fliederstrauß herum noch lauter rote Tulpen waren. Ich habe den Strauß in die schöne Vase von dir getan und es sieht so schön aus, dass man sich gar nicht satt sehen kann. Ich muß dir immer wieder sagen, dass du mir eine ganz große Freude gemacht hast. An diese Überraschung hatte ich bestimmt nicht gedacht. Über deine Anerkennung, die du mir hast zuteil werden lassen, habe ich mich sehr gefreut, wenn ich auch der Meinung bin, dass das, was ich tue, doch selbstverständlich ist, wenn ich Euch lieb habe. Aber dein Lob soll mir auch weiterhin ein Ansporn sein, Euch froh zu machen.
Nun will ich dir noch schreiben, wie mich die Kinder überrascht haben. Als ich heute Morgen aufwachte, hörte ich, dass die Kinder schon in der Küche waren. Ich durfte erst nach einer Weile aufstehen, da war der Tisch gedeckt, meine Tasse mit Veilchenblättern umkränzt und der Kaffee gekocht. Nachdem ich mich angezogen hatte, wurde ich in die Stube geführt. Da hatten beide einen Geschenktisch aufgebaut. Sie hatten mir ein großes Messer gekauft, das ich mir gewünscht habe. Dazu noch einen Glasteller und eine Wiesenblumenfibel. Außerdem hatten sie zwei Karten mit Wünschen und Gedichten geschrieben, Herzen ausgeschnitten und Bilder gemalt. Die 18 Pfg., die sie von ihren Einkäufen übrig hatten, bekam ich auch noch geschenkt. Über allem stand dein Strauß, der dem ganzen einen schönen Rahmen gab und Helga hatte auch dein Bild aus Frankreich dazu gestellt, weil du doch auch dabei sein solltest. Gewünscht haben mir die Kinder viel Glück, und dass du gesund zu uns heim kommst. Das ist auch mein größter Wunsch. Helga hat auch noch ein schönes Gedicht aufgesagt. Ich habe mich wirklich sehr gefreut. Helga malt dir am Schluß noch so ein Herz, wie sie es mir gemalt haben. Ich glaube, es wird dir auch gefallen.
Später haben wir dann unseren Quarkkuchen, an dem Helga das meiste gemacht hatte, gegessen. Ich habe mir noch zur Feier des Tages eine große Tafel Schokolade von dir genommen. Vater gab mir gestern Abend 2.- Mk. zum Muttertag.
Von Siegfried erhielt ich gestern einen Brief, in dem er auch über die Heiratssache schreibt. Ich schicke dir morgen den Brief mit, den ich heute noch beantworten will. Er wird dich sicher auch interessieren. Schreibt Siegfried doch z.B. auch, dass das Fräulein Lotte die Absicht hatte, mit Papa nach Konstanz zu kommen. Na, du kannst ihn ja bald selber lesen.
Mit gleicher Post schicke ich dir eine Bodensee-Rundschau in ihrem neuen Gewand. Ich dachte, dass es dich vielleicht interessiert.
Es ist nun Zeit, dass ich den Brief schließe, sonst kommt er nicht mehr mit fort.
Ich grüße und küsse dich herzlich, Deine Annie.

(Gemaltes rosa Herz mit der Inschrift: Dem lieben Vaterle)

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