Sonntag, 7. Mai 2017

Brief 317 vom 27./28./30.4.1942


27.4.

Mein liebster Ernst ! Gestern habe ich mal mit schreiben ausgesetzt, denn das wird ja ein Paket, das ich dir bald gar nicht schicken kann. Das hat Übergewicht. Nun will ich dir aber weite berichten. Gestern sind wir daheim geblieben, da der Führer gesprochen hat. Vater ist auch hergekommen. Dann haben wir Abendbrot gegessen und uns noch ein wenig unterhalten. Vater ist gegen ½ 10 Uhr heim gegangen. Ich bin dann gleich schlafen gegangen. Heute Morgen habe ich Bohnenstangen angespitzt. Dann habe ich probiert, ob ich sie auch in die Erde tun kann, oder ob es zu schwer ist. Es ist aber gegangen. Ich hatte ja die Eisenstange von Vater da. Nun braucht es Vater gar nicht mehr machen. 37 Stangen habe ich rein getan.
Es ist nur gut, dass ich mich schon wieder an die Maikäfer gewöhnt habe und sie nicht mehr fürchte, denn die Kinder bringen sie jetzt massenhaft. Jörg hat augenblicklich 19, Helga 15 Stück. Vorhin hatte Jörg einen unpassenden Karton, da sind ein paar herausgekrabbelt, und als ich das Fenster öffnete, surrte plötzlich einer davon. Das sah Jörg von unten und kam gleich rauf gerannt. Nun habe ich erst für einen besseren Karton gesorgt. Seine große Sorge war, dass es ja nicht der König ist, der weggeflogen ist. Außer dem König hat er ja noch Prinzessinnen und Schornsteinfeger. Als Helga und Jörg erst nur zwei hatten, hieß einer Kribbele, der andere Krabbele. Jetzt haben sie die Namensgebung aufgehoben. Aber viel Vergnügen haben die Kinder damit. Die Käfer toben jetzt in ihren Kartons herum, dass man es trotz des nicht leisen Radios hört.
Unser Apfelbaum sieht schon schön hellgrün aus. Dazwischen leuchten auch kleine rosa Punkte, die Knospen. Die Stachel- und Johannisbeeren blühen immer noch. Die Erbsen und Möhren kommen jetzt gut heraus.
Von den Päckchen ist bisher immer noch keins angekommen. Ich habe deshalb heute an den Wittenburg geschrieben und hoffe, dass du es billigst. Ich habe geschrieben an den Gefreiten Wittenburg. Ich weiß nicht, ob es richtig ist.

28.4.

Gestern Abend kam Vater wegen den Bohnenstangen. Als ich ihm sagte, dass alles schon fertig ist, war er ganz verdutzt, aber böse war er deshalb nicht. Er ist aber noch in den Garten gegangen und hat an den Stangen gerüttelt, ob sie auch fest stehen und denk mal an, er hat nicht auszusetzen gehabt. Aber wenn ich schon was mache, dann wenigstens richtig, sonst lasse ich´s lieber sein. Heute habe ich einen ruhigeren Tag eingeschoben, wo ich nur gestopft und ausgebessert habe. Unter Mittag habe ich sogar eine Weile auf dem Liegestuhl geschlafen.
Lieber Ernst, weißt Du, was ich jetzt sehr vermisse? Die regelmäßigen Briefe von dir. Das war ja in Frankreich noch schön. Die Briefbeförderung dauerte nicht so lange. Das wird sich ja jetzt von dort aus sehr ändern. Jetzt empfinde ich es noch als ziemlich hart, so lange nichts von dir zu wissen. Aber ich muss mich auch wieder darein schicken. Die Hauptsache ist ja, dass wir in Liebe aneinander denken und dass du gesund bleibst. Du bekommst ja jetzt erst mal noch viel länger keinen Gruß von uns und es wird dir wohl auch schwer sein, vor allem, wo du wieder in eine ganz fremde Umgebung gekommen bist. Es ist ja eine große Umstellung.
Ich gehe nun schlafen und gebe dir im Geist viele, viele Küsse. Wie gerne täte ich es in Wirklichkeit.

30.4.

Gestern wollten wir eigentlich Tee suchen gehen. Aber es wurde nichts draus. Gestern wehte ein richtiger Ostwind, eigentlich kann man schon von stürmen reden. Es war so kalt, dass man Handschuhe anziehen musste. Zweitens, das Wichtigste, Jörg war krank. Gestern Morgen war ihm schwindelig und schlecht. Dazu hatte er Kopfschmerzen und 39,6° Fieber. Ich habe ihn gleich schwitzen lassen, Silargetten gegeben, und am Nachmittag haben wir nasse Socken gemacht. Heute war ihm wieder gut, aber ich habe ihn noch daheim behalten. Morgen geht er wieder in die Schule. Er ist schon wieder ganz übermütig.
Von Papa erhielt ich gestern eine Karte vom 27.4. er schreibt, dass er den Koffer fertig machen will und Erna würde ihn am 29. zur Bahn bringen. Er schickt ihn per Express zur Selbstabholung nach Petershausen. Papa schreibt, er will auch noch meinen Brief beantworten. Dass es noch nicht geschehen sei, liege daran, dass der Brief so viel Schweres enthalte. Er habe ja schon mit dir gesprochen, aber es solle Klarheit herrschen, darum wolle er auch mir antworten.
Von Siegfried erhielt ich eine Karte aus Königsberg. Von Kurt kam auch eine Karte. Er fragt nach deiner Adresse und schreibt, dass er sicher in einigen Wochen auf Erholungsurlaub Kommen würde. Ich habe ihm kurz geschrieben, dass ich deine Adresse noch nicht weiß, habe aber den Ort angegeben. Zugefügt habe ich noch, dass wir uns freuen würden, wenn er auf Urlaub kommt. Romane schicke ich morgen auch noch mal.

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