Samstag, 29. Februar 2020

Brief 789 vom 28./29.9.1944


Mein liebster Mann!                                                                                                28.9.44

Einen Brief habe ich auch heute nicht bekommen, trotzdem ich schon wieder sehnsüchtig darauf warte. Aber entweder hast Du keine Zeit zum schreiben gehabt oder die Beförderung geht langsam. Ich warte gern weiter.  Heute war ich beim Arzt. Der Fuß ist 6 Minuten bestrahlt worden. Am Montag wird er nochmal bestrahlt. Da wird er ja sicher schnell heilen.  Ich bin zum ersten Mal wieder in den Keller gestiegen und hab mir alles angesehen. Im allgemeinen war alles soweit in Ordnung.   
Helga hat 16 Pfund Äpfel abgenommen. 24 Pfund haben wir nun bis jetzt. Gegen das, was runtergefallen ist bis jetzt, ist es ja wenig. Aber gefreut hats mich doch, denn diese kann man ja aufheben. Mit den getrockneten Apfelringen haben wir bald das Ergebnis des vorigen Jahres erreicht. 5 ½ Beutel haben wir bis jetzt und die ganze Küche hängt noch voller Ringe. Jörg war wieder beim schaffen. Heute hat er mehr zu tun gehabt als gestern, wo er nur gespielt hat. Er hat mit Sand geholt, dann mußte er mal die Gießkanne, mal den Hammer uswl holen, also lauter kleine Handreichungen tun. 
Das ist ja nicht schwer, aber eine Hilfe ist es doch.  Während Deines Urlaubs hatten wir doch eine Dose Langusten herauf geholt. Gegessen sind sie dann doch nicht worden. Das hat Jörg heute besorgt. Helga und ich mochten sie nicht. Wenn ich die Viecher schon sehe. Jörg hatte 35 Pfennige ausgesetzt für den, der wenigstens einen Bissen davon ißt. Helga hat sie sich verdient. Einen Biß hat sie gemacht. Schmecken tun sie sicher gut, aber ich kann beim besten Willen nichts essen. 

                                                                                                                                       29.9.

GEstern Abend sind wir alle wieder zeitig ins Bett gegangen. So lange ich jetzt noch nicht so gut laufen kann, hat sich der Brauch eingebürgert, daß Helga und Jörg schnell noch in mein Bett mit schlupfen. Dann beten wir zusammen und denken besonders an Dich. Hinterher gehen die Kinder in ihre Betten. Die Türen haben wir ja jetzt noch auf. Wenn die Kinder sich schon richtig eingemummelt haben, kommt noch der Ruf „Schlaf Du auch gut und wach gesund wieder auf.“ Dann ist Ruhe.   
Heute Nacht kam zwar gleich hinterher Voralarm, aber wir sind im Bett geblieben und bald kam auch die Entwarnung.  Heute Morgen ist wieder einmal sonniges Wetter. Da werden die Kinder gleich Kartoffeln ausgraben. Jörg ist gerade beim Schuhe putzen. Nachher fährt er noch schnell in die Stadt. Hinterher hilft er mit im Garten..  
 Ich weiß nicht, ob ich Dir schon mal geschrieben habe, wie froh ich jetzt über die bunten Bastschuhe bin, 
die Du mir mal aus Göding mitgebracht hast. Es sind die einzigen Schuhe, wie ich bis jetzt noch anziehen kann. Ich muß Dir gerade noch mal dafür danken.  Nun grüße und küsse ich Dich wieder ganz fest und herzlich und bin immer 

Deine Annie.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen