Samstag, 29. Februar 2020

Brief 784 vom 22.9.1944


Men lieber Ernst !             22.9.44          51

Wieder erhielt ich 2 liebe Briefe von Dir, Nr. 50 und 52 vom 8./9. und 11.9. I
ch freue mich jedes Mal, wenn ich Nachricht von Dir erhalte und Du mußt wirklich keine Angst haben, daß ich einen Zorn darüber bekomme. Ich habe auch diese Briefe gnädig aufgenommen. Das im Urlaub gekaufte Heft werde ich mit aufheben, wenn es angekommen ist. Wie es mit der Kartoffelversorgung wird, das weiß ich noch nicht. Bis jetzt haben wir uns noch nicht einmal anmelden müssen. 
Die Einkellerungsscheine beginnen Anfang November. Vielleicht bekommt man die Kartoffeln doch eher.  Die zweite Fuhre Mist hätte ich ja schon bekommen können, aber ich muß erst warten, bis ich wieder richtig laufen kann. Vielleicht dauert das garnicht mehr so lange. Heute sagte mir der Arzt, daß ich am Montag wieder hinkommen muß. Vielleicht könnte ich dann versuchen, richtig aufzutreten. Hoffentlich klappt es. Ich würde mich freuen. Ein bißchen schaffen kann ich ja schon wieder. Ob ich natürlich gleich richtig im Garten werde schaffen können, das weiß ich nicht. Aber mit Unterstützung der Kinder wird es schon gehen. Der Ort an dem Ihr seid, ist oft im Wehrmachtsbericht genannt worden. 
Es hieß immer, daß dort schwere Kämpfe wären.  Nun haben sie Dir dort also auch gesagt, daß Du daheim als vermißt gemeldet worden bist. Ich kann Dir nur sagen, so in die Seele hinein weh hat mir doch noch nichts getan, als das, als mir der Ortsgruppenleiter an der Wohnungstür sagte, Du seist vermißt. Es hat sich ja dann gleich aufgeklärt, aber dieser Schreck hat noch lange nachgewirkt. 
Ich bin so froh und dankbar, daß Du noch gesund bist.  Als Du hier warst, war es wirklich noch zu früh zum Kartoffeln raus und Äpfel runter machen. Jetzt werden die Äpfel ja erst reif und die Kartoffeln halten sich auch besser, wenn sie nicht zu früh aus der Erde kommen. Heute werden die Kinder wieder eine Reihe ausgraben. Wir haben wieder sonniges Wetter, so daß die Kartoffeln auch richtig abtrocknen können.  Von Papa erhielt ich eine Karte. Er hat meinen Brief erhalten. Er selber war ja 8 Tage krank. 
Er schreibt, Erna wäre nicht einmal gekommen und hätte ihn besucht, trotzdem sie es gewußt hat. Schön finde ich das ja auch nicht von ihr, aber richtig vertragen werden sie sich ja wohl überhaupt nicht mehr.  Ich werde einige Mark nach Leipzig schicken, damit sie einen Blumengruß auf Mamas Grab legen am Todestag.  Laß mich nun schließen. Bleib immer mein liebster Ernst und laß Dich grüßen und fest küssen von Deiner 

Annie. 

Jetzt habe ich doch was vergessen. 
Ich habe den Kinderwagen für 30,M verkauft. 
Frau Leimenstoll hat jemand gewußt, der ihn gebraucht hat. Ist es Dir so recht?

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