Men lieber Ernst ! 22.9.44
51
Wieder erhielt ich 2 liebe Briefe von Dir, Nr. 50 und 52 vom
8./9. und 11.9. I
ch freue mich jedes Mal, wenn ich Nachricht von Dir erhalte
und Du mußt wirklich keine Angst haben, daß ich einen Zorn darüber bekomme. Ich
habe auch diese Briefe gnädig aufgenommen. Das im Urlaub gekaufte Heft werde
ich mit aufheben, wenn es angekommen ist. Wie es mit der Kartoffelversorgung
wird, das weiß ich noch nicht. Bis jetzt haben wir uns noch nicht einmal
anmelden müssen.
Die Einkellerungsscheine beginnen Anfang November. Vielleicht
bekommt man die Kartoffeln doch eher.
Die zweite Fuhre Mist hätte ich ja schon bekommen können, aber ich muß
erst warten, bis ich wieder richtig laufen kann. Vielleicht dauert das garnicht
mehr so lange. Heute sagte mir der Arzt, daß ich am Montag wieder hinkommen
muß. Vielleicht könnte ich dann versuchen, richtig aufzutreten. Hoffentlich
klappt es. Ich würde mich freuen. Ein bißchen schaffen kann ich ja schon
wieder. Ob ich natürlich gleich richtig im Garten werde schaffen können, das
weiß ich nicht. Aber mit Unterstützung der Kinder wird es schon gehen. Der Ort
an dem Ihr seid, ist oft im Wehrmachtsbericht genannt worden.
Es hieß immer,
daß dort schwere Kämpfe wären. Nun
haben sie Dir dort also auch gesagt, daß Du daheim als vermißt gemeldet worden
bist. Ich kann Dir nur sagen, so in die Seele hinein weh hat mir doch noch
nichts getan, als das, als mir der Ortsgruppenleiter an der Wohnungstür sagte,
Du seist vermißt. Es hat sich ja dann gleich aufgeklärt, aber dieser Schreck
hat noch lange nachgewirkt.
Ich bin so froh und dankbar, daß Du noch gesund
bist. Als Du hier warst, war es
wirklich noch zu früh zum Kartoffeln raus und Äpfel runter machen. Jetzt werden
die Äpfel ja erst reif und die Kartoffeln halten sich auch besser, wenn sie
nicht zu früh aus der Erde kommen. Heute werden die Kinder wieder eine Reihe
ausgraben. Wir haben wieder sonniges Wetter, so daß die Kartoffeln auch richtig
abtrocknen können. Von Papa erhielt ich
eine Karte. Er hat meinen Brief erhalten. Er selber war ja 8 Tage krank.
Er schreibt, Erna wäre nicht einmal gekommen und hätte ihn besucht, trotzdem sie es
gewußt hat. Schön finde ich das ja auch nicht von ihr, aber richtig vertragen
werden sie sich ja wohl überhaupt nicht mehr.
Ich werde einige Mark nach Leipzig schicken, damit sie einen Blumengruß
auf Mamas Grab legen am Todestag. Laß
mich nun schließen. Bleib immer mein liebster Ernst und laß Dich grüßen und
fest küssen von Deiner
Annie.
Jetzt habe ich doch was vergessen.
Ich habe den
Kinderwagen für 30,M verkauft.
Frau Leimenstoll hat jemand gewußt, der ihn
gebraucht hat. Ist es Dir so recht?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen