Samstag, 29. Februar 2020

Brief 778 vom 12.9.1944 (a - c)


                                                                                                                        12.9.

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief Nr. 45 vom 31.8. und Helga ihren Geburtstagsbrief, beide abgestempelt am 8.9. Vielen Dank für die mitgesandte Urlauberkarte. Du mußt ja manches Elend in K. gesehen haben. Man kann wirklich froh sein, wenn man noch mit den Kindern ruhig leben kann.  Mit Vater haben wir ausgemacht, daß er mit Jörg morgen 10,45 über den See nach Zwetschgen fährt. Er holt Jörg ab.  Ich bezw. Helga hatte alles vorbereitet zum fortfahren. Gegen 10 Uhr kommt Vater und sagt, er habe sichs überlegt. Vielleicht gingen sie lieber morgen. Er habe erst noch nach Kartoffeln gefragt und dann habe er Kohlen bestellt.  Nun sei es doch schon zu spät. Ich habe mich erst mächtig geärgert. Vater will natürlich eine Masse Körbe usw. mitnehmen, damit sichs „lohnt“. Billig solls auch sein. Ich weiß garnicht, ob ich Jörg mitgehen lasse, denn soviel kann er auch nicht tragen und andernfalls muß ich es wieder jahrelang hören, daß Vater sich wegen mir mit abgeschleppt hat.

                                                                                                                         14.9.

 Ich habe gestern mit Vater noch gesprochen. Er würde nun allein gehen. Aber heute ist Regenwetter.  Vorhin war der Arzt da. Er sagte, daß es eben sehr schwierig sei, bis hier heraus zu kommen, wegen dem Benzin. Aber ich habe früher auch immer den Weg zu ihm gefunden, so werde er auch sehen, es möglich zu machen. Er ist mit der Wunde zufrieden. Verheilt ist natürlich noch nicht. Als ich fragte, wann ich wieder richtig laufen könnte, meinte er, dafür könne er mir keine Garantie geben. Ich sollte erst einmal froh sein, daß ich ums Krankenhaus herumgekommen sei.  Nächsten Dienstag sollte ich versuchen, ob ich mit dem Rad zu ihm reinfahren könnte zum verbinden. Bis dahin muß ich noch liegen bleiben. Du siehst, ich führe ein ganz faules Leben. Aber ich habe ja noch Glück gehabt, daß es richtig verheilt. Nun brauchst Du Dir ja auch keine Sorgen zu machen, wenn Du diesen Brief erhältst.  Ich habe den Arzt auch gefragt, was das für Zeug ist, was ich am Knie bekommen habe. Die braunen Flecke sind nämlich noch da und überall hatte es noch Bläschen gegeben. Jetzt blättern diese ab. Dr. Bundschuh sagt, das kommt von blühendem Seegras oder Heu. Bei mir wird es ja das erstere gewesen sein. Übrigens ist Dr. Bundschuh jetzt wieder sehr nett, sodaß man Zutrauen zu ihm haben kann. Was damals mit Jörg nur in ihn gefahren war? Übrigens hat Jörg am Samstag gesehen, daß er (Dr.B.) immer noch eine Metallweste trägt. Er hatte sich doch mal die Rippen gebrochen. Dabei zu schaffen, muß ja auch nicht gerade schön sein.  Immer wieder hört man jetzt im Wehrmachtsbericht, daß bei Lomscha Kämpfe stattfinden. Gerade dort, wo Du bist. Wie hart wirst Du es wohl jetzt haben? Ich denke immer an dich.  Vorhin erhielt ich Deinen lieben Brief Nr. 47 vom 4.9. mit der neuen Feldpostnummer. Ich habe gleich die zwei ersten Teile dieses großen Briefes, den ich bisher geschrieben hatte, in Umschläge getan und weggeschickt, bezw. die Kinder haben sie auf die Post geschafft.  Deinen Brief hast Du unterwegs zu Deiner Einheit geschrieben, als Du schon wieder im Kampfbereich warst. Die schwere Zeit fing schon wieder für Dich an. Wie froh bin ich doch, daß Du mit Freude an die Urlaubstage zurückdenken kannst und daß sie auch Für Dich eine schöne Zeit waren. Welches glück war es doch, daß Du Urlaub bekommen hast. Jetzt kommt es einem erst noch mehr zum Bewußtsein, nachdem Du die anderen Kameraden getroffen hast, die vom Lazarett aus direkt wieder an die Front mußten. Uns kann aber niemand die wunderschönen Tag wegnehmen, die wir erlebt haben. Darüber bin ich unendlich froh.


                                                                                                                               15.9.

Gestern Abend kam Vater noch ¾ 9 Uhr herauf. Die Kinder waren schon ausgezogen. Er brachte uns noch ca. 5 Pfund Pflaumen, damit wir die wieder haben, die wir ihm gegeben hatten, als Helga fortgefahren war. Er war in Daisendorf gewesen. Um 9 Uhr ist er wieder heim gegangen.  Von heute Morgen ist noch nicht viel zu berichten Ich liege ja immer noch faul herum, jetzt auf dem Liegestuhl in der Küche, Helga und Jörg schaffen. Einige kleine Sachen  kann ich ja schon helfen, wenn ich dabei nicht aufstehen muß. Aber das wird auch bald wieder besser.  Die Kinder schaffen diesen Brief auch nachher gleich fort, damit Du ihn recht bald beskommst.  Bleib gesund, mein liebster, bester Ernst. Laß Dich grüßen und oft, recht oft küssen von Deiner Annie.

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