Samstag, 29. Februar 2020

Brief 783 vom 21.9.1944


Mein liebster Mann !                                                                                             21.9.44

Heute erlebte ich die große Freude, daß ich gleich 2 Briefe von Dir erhielt. Nr. 49 und 51 vom 7. und 10.9. Es freut mich so, daß nun der 7. doch kein besonders schwerer Tag für Euch geworden ist, sondern daß Du sogar Gelegenheit gehabt hast, Dich zu waschen und zu rasieren.  Von dem Klebpapier schicke ich Dir wieder mit, ebenso einige Feldpostbriefe.  Ich freue mich wirklich, wenn ich immer wieder Briefe von Dir erhalte, aber wie Du auch richtig schreibst, wenn Du nicht zum schreiben kommst, so werde ich Dir selbstverständlich nie etwas vorjammern. Ich weiß, daß Du an uns denkst und auch schreibst, wenn es möglich ist. Heute waren die Briefe ja wirklich eine Erlösung und Wohltat, denn der Schreck, den ich durch den Besuch des Ortsgruppenleiters bekommen hatte, wirkte doch immer weiter, wenn auch die Nachricht gottseidank nicht wahr war. Du wirst das sicher verstehen. Man sehnt sich danach, wieder einen Brief zu bekommen, der doch wie eine Unterhaltung mit Dir ist. 

Wenn Papa wieder einmal Tabakwaren bekommen soll, dann kann ich ja von hier aus welche schicken. Da mußt du Dich nicht damit herumschleppen.  Mit dem spazieren gehen ist es ja jetzt nichts. Übrigens müssen sich heute alle Mädel und Jungen am Haus der Jugend versammeln, die noch nicht im Kriegseinsatz stehen. Ich bin gespannt, so unsere Kinder dann hinkommen. Helga soll sich einstweilen frei stellen lassen, bis ich wieder laufen kann.  Die Schweiz verdunkelt seit einigen Tagen nicht mehr. Jetzt werden an der Grenze entlang noch große Schweizer Kreuze ausgelegt, damit die Flieger genau sehen, wo die Schweiz aufhört. Schule hat ja jetzt weder Helga noch Jörg. 
Die meisten Lehrer sind jetzt beim schanzen. Aber nicht hier. Es hilft eben jetzt jeder mit. Ich gehe ja auch wieder nähen, sobald ich wieder laufen kann. Wenn jeder mithilft, muß es ja gut werden. Meinst Du nicht auch? Lieber hilft man jetzt freiwillif und freudig mit, als daß uns der Feind ins Land kommt und mit ihm das Elend.  Heute Morgen kan die Schulfreundin von Helga, die Hildegard Zeller, und brachte mir einen schönen blumenstrauß.  Ich habe mich wirklich gefreut.   
Nachdem sich das Wetter jetzt wieder aufgeklärt hat, wollen die Kinder schon einige Kartoffeln ausgraben.   

Es ist jetzt ¾ 4 Uhr.  Gerade sind die Kinder wieder rüber gekommen. Eine Reihe habe sie ausgegraben. Erst waren sie ja der Meinung, das sei leichte Arbeit, dakönnten sie mehr schaffen. Nun kamen sie ganz zaghaft an und sagte, ob es nichts macht, wenn sie nur eine Reihe fertg bekommen hätten. Natürlich hat es nichts gemacht, denn an mehr hatte ich garnicht gedacht. Aber ein bißchen Zucker zum lecken haben sie doch zum Dank bekommen und sie haben nicht nein gesagt.  Nun mache ich wieder Schluß. Laß Dich auch heute wieder recht herzlich grüßen und küssen von 

Deiner Annie.

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