Mein liebster Mann ! 21.9.44
Heute erlebte ich die große Freude, daß ich gleich 2 Briefe
von Dir erhielt. Nr. 49 und 51 vom 7. und 10.9. Es freut mich so, daß nun der
7. doch kein besonders schwerer Tag für Euch geworden ist, sondern daß Du sogar
Gelegenheit gehabt hast, Dich zu waschen und zu rasieren. Von dem Klebpapier schicke ich Dir wieder
mit, ebenso einige Feldpostbriefe. Ich
freue mich wirklich, wenn ich immer wieder Briefe von Dir erhalte, aber wie Du
auch richtig schreibst, wenn Du nicht zum schreiben kommst, so werde ich Dir
selbstverständlich nie etwas vorjammern. Ich weiß, daß Du an uns denkst und
auch schreibst, wenn es möglich ist. Heute waren die Briefe ja wirklich eine
Erlösung und Wohltat, denn der Schreck, den ich durch den Besuch des
Ortsgruppenleiters bekommen hatte, wirkte doch immer weiter, wenn auch die
Nachricht gottseidank nicht wahr war. Du wirst das sicher verstehen. Man sehnt
sich danach, wieder einen Brief zu bekommen, der doch wie eine Unterhaltung mit
Dir ist.
Wenn Papa wieder einmal Tabakwaren bekommen soll, dann kann ich ja
von hier aus welche schicken. Da mußt du Dich nicht damit herumschleppen. Mit dem spazieren gehen ist es ja jetzt
nichts. Übrigens müssen sich heute alle Mädel und Jungen am Haus der Jugend
versammeln, die noch nicht im Kriegseinsatz stehen. Ich bin gespannt, so unsere
Kinder dann hinkommen. Helga soll sich einstweilen frei stellen lassen, bis ich
wieder laufen kann. Die Schweiz
verdunkelt seit einigen Tagen nicht mehr. Jetzt werden an der Grenze entlang
noch große Schweizer Kreuze ausgelegt, damit die Flieger genau sehen, wo die
Schweiz aufhört. Schule hat ja jetzt weder Helga noch Jörg.
Die meisten Lehrer
sind jetzt beim schanzen. Aber nicht hier. Es hilft eben jetzt jeder mit. Ich
gehe ja auch wieder nähen, sobald ich wieder laufen kann. Wenn jeder mithilft,
muß es ja gut werden. Meinst Du nicht auch? Lieber hilft man jetzt freiwillif
und freudig mit, als daß uns der Feind ins Land kommt und mit ihm das
Elend. Heute Morgen kan die
Schulfreundin von Helga, die Hildegard Zeller, und brachte mir einen schönen
blumenstrauß. Ich habe mich wirklich
gefreut.
Nachdem sich das Wetter jetzt
wieder aufgeklärt hat, wollen die Kinder schon einige Kartoffeln
ausgraben.
Es ist jetzt ¾ 4 Uhr. Gerade sind die Kinder wieder rüber
gekommen. Eine Reihe habe sie ausgegraben. Erst waren sie ja der Meinung, das
sei leichte Arbeit, dakönnten sie mehr schaffen. Nun kamen sie ganz zaghaft an
und sagte, ob es nichts macht, wenn sie nur eine Reihe fertg bekommen hätten.
Natürlich hat es nichts gemacht, denn an mehr hatte ich garnicht gedacht. Aber
ein bißchen Zucker zum lecken haben sie doch zum Dank bekommen und sie haben
nicht nein gesagt. Nun mache ich wieder
Schluß. Laß Dich auch heute wieder recht herzlich grüßen und küssen von
Deiner
Annie.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen