Mein liebster Ernst
! 23.9.44
Diese Woche ist auch wieder vergangen. Am meist en freue ich
mich, daß mein Fuß immer besser wird. So kann ich doch hoffen, bald wieder
richtig schlagen zu können. Ruhen läßt es mich ja jetzt auch schon nicht mehr
und ich fasse überall mit zu. Nur wird der Fuß zu schnell müd, weil ich immer
noch auf der Ferse rumhumpeln muß. Aber besser ist es doch als erst, wo ich den
fuß überhaupt nicht nach unten hängen lassen konnte, ohne große Schmerzen zu
haben. Ich muß auch schon zufassen. Helga hat sich beim Durchstechen der
Apfelringe überall zerschunden und nun hat sie an den Fingern kleine
Eiterstellen, die wir fleißig in Seifenwasser baden. Du siehst also noch ein
Invalide. Heute sind die buben zum
Kriegseinsatz verteilt worden. Manche kommen nach auswärts. Ich wollte, daß
Jörg hierbleibt.
Die Buben, die hier bleiben, sollen zu Gärtnern kommen. Manche
Kinder haben sich ja auch jetzt noch nicht gemeldet. Ich fragte Jörg, ob er
nicht auch dableiben will. Er sagte aber, er will sich nicht drücken. Hier in
der Stadt kann ich ja eher einmal kontrollieren, daß er nicht überanstrengt
wird. Bis jetzt haben die Kinder 3 Reihen
Kartoffeln mit ca. 45 Pfund ausgegraben. Heute konnten sie nichts tun, da es
regnete. Dafür haben wir wieder viel Apfelringe geschnitten, denn es waren
ziemlich viel Äpfel runtergefallen. Die
ganze Küche hänt kreuz und quer voller Girlanden. Das gibt mehrere Beutel
voll. Es ist heute nur ein kurzer
Brief, Du Lieber, aber Morgen folgt ja der nächste. Laß Dich recht oft küssen
von
Deiner Annie.
Mein liebster Ernst
! 24.9.44
Die Grüße im gestrigen Brief sind etwas kurz
ausgefallen. Eigentlich sollte es nicht
so sein, aber ich merkte zu spät, daß der Brief schon zu Ende war. Ich hole es
jetzt nach und gebe Dir schon am Anfang dieses Briefes recht viel herzliche
Grüße. Der Sonntag ist recht ruhig
wieder vorbei gegangen. Was ich konnte, habe ich geholfen. Die übrige Zeit habe
ich meinen Fuß hochgelegt. Das Laufen auf dem ganzen Fuß habe ich auch
probiert. Es ging, aber noch nicht gut. Die Wunde sieht gut aus, aber die
vordere Hülfte des Fußes ist noch so angeschwollen, daß ich die Zehen nicht auf
den Bode bekomme. Ich denke aber, daß sich das auch bald noch geben wird. Zum fort gehen war das Wetter heute sowieso
nicht gut. Morgens regnete es, dann heiterte es sich eine Weile auf und nun
gießt es schon wieder.
Die Kinder haben sich mit mehreren Decken eine Hütte
gebaut. Damit haben sie den ganzen Nachmittag gespielt. Helga hat auch gelesen.
Denk Dir, Jörg hat heute sogar zwei Mal abgewaschen, da es Helga mit ihren
Eiterbläschen nicht gut konnte. Vorhin
hat FRau Ehret (eine tochter von Frau Nußbaumer) gerade ihren Koffer bei uns
eingestellt, da ihre Mutter nicht daheim war. Sie will morgen ihren Mann im
Lazarett in Feldkirch besuchen. Sie hat jetzt erst die Nachricht bekommen, daß
er operiert worden ist. Man hat ihm die Schädeldecke aufgemeiselt. Er hatte
Eiter im Kopf. von was das nur kommen kann? Vorher ist ihm manchmal Eiter aus
den Ohren gekommen. Da wir heute ein
Bißchen Feuer hatten, sind manche Apfelringe trocken geworden. Auf der warmen
Ofenplatte habe ich auch 3 Beutel nochmals nachgetrocknet. Sie hatte etwas Feuchtigkeit
angezogen.
Im ganzen haben wir jetzt 5 Beutel Apfelringe da. 3 große Girlanden
hängen jetzt aber noch im Schlafzimmer und in der Küche. Morgen schneide ich
wieder neue ringe. Heute haben wir mal nur Äpfel gegessen. Dafür war auch
Sonntag. Ja, lieber Ernst, was soll ich
Dir noch erzählen? Wenn man so wie ich jetzt, bildlich gesprochen, an der Kette
hängt und nicht fort kann, da sieht man ja auch nichts. Ich habe mir noch nicht einmal angesehen,
wie die Kinder unten die Kohlen geschichtet haben. TReppen gehen am
scheußlichsten zu steigen und dann ist der Fuß so schnell ermüdet. Morgen fahre
ich ja wieder zum Arzt, wenn es nicht gerade regnet. Denn ich kann ja nur
Hausschuhe anziehen. Da komme ich ja wieder ins Freie. Jetzt freue ich mich
immer, daß wir nicht in der Stadt wohnen. Auch wenn man nicht so fort kann, hat
man doch immer einen herrlichen Ausblick, an dem man sich nicht satt sehen
kann. Du weißt ja, daß ich überhaupt glücklich bin, daß wir so im Freien
wohnen. Nun laß mich schließen. Ich gehe jetzt schon immer mit den Kindern
schlafen. Und das wird jetzt Zeit.
Heute sollst Du nicht zu kurz kommen, sondern unendlich viele Grüße und
Küsse bekommen von
Deiner Annie.
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