Samstag, 29. Februar 2020

Brief 774 vom 12.8.1944


Mein liebster Mann !                                                                                    12.8.44     Samstag 

Pff, das ist heute eine Hitze. Und dabei hatte ich noch zu sterilisieren. Gestern Abend hatte ich schon Bohnen gepflückt. Am Morgen habe ich zuerst mal die Setzlinge gegossen. Der Grünkohl entwickelt sich viel besser als der Rosenkohl. Bei Dem haben schon mehrere Setzlinge direkt über dem Boden abgefressen dagelegen. Ich weiß nicht, welches Biest das wieder fertig bringt.   
Die Kinder waren am Vor und Nachmittag baden. Früh im Hallenbad, nachmittags am Horn bezw. Wasserwerk. Denn Samstag und Sonntag ist jetzt auch das Horn für Kinder geschlossen.   
Vorhin erhielt ich Deinen lieben Brief Nr. 40 vom 6.8. Darin meinst Du, daß ich sicher schon Post von Dir erhalten habe und Du erwartest ca. 2 Tage später welche. Das wird nun doch nicht geschehen sein, denn ich bekam ja gerade erst am Sonntatg den ersten Brief von Dir. Ich habe ja gleich wieder geschrieben, aber in 2 Tagen kommt doch kein Brief bis nach Ostpreußen. Wenn es nur nicht so kommt, daß Du dort fort mußt und hast keine Nachricht von mir, und ich kann Dir diesen Brief auch wieder nur nachschicken, wenn er zurück kommt. Na, wir werden ja sehen.  Den beigefügten Brief habe ich weitergeschickt. Die Nummer lautet L 40359.  Aus den verschiedenen Briefen, die ich Dir nachgeschickt habe, wirst Du ja das meiste von dem gelesen haben, nach was Du fragst. 
Aber kurz will ich doch noch einmal alles zusammenfassen. 
Gesund sind wir noch alle. Im Garten wächst alles so gut, daß ich schon gesagt habe, das sei der Segen, weil Du umgegraben hast. Bohnen giebt esziemlich viel, von dem frühen Kraut stehen große Köpfe da, prima Blumenkohl haben wir gehabt, ebenso Kohlrabi. Der Baum trägt ganz gut, es fallen natürlich auch viel runter. Aber die werden von den Kindern schon gegessen. Sie sind aber noch sehr klein. Stachel und Johannisbeeren hat es viel gegeben, auch die Brombeeren kommen gut. Die ersten 2 Pfund habe ich schon gepflückt. Es sind aber schon wieder welche reif. Gurken haben wir schon öfter zum Abendbrot gegessen.  Morgen können wir bestimmt Tomaten holen, sie sind schon heute fast rot gewesen. Bei 1 ½ Reihe habe ich jetzt 30 Pfund Kartoffeln geerntet. Und sie sind gut.  Jörg ist in keinem Lager gewesen und Helga nicht auf Fahrt. Wir waren brav daheim.   
Einmal sind wir zusammen nach dem Mindelsee gefahren, mit dem Zelt. Sonst haben sich die Kinder meist im Garten ein Zelt aufgebaut oder sie sind baden gegangen.  Das waren die Ferien. Habe ich Dir eigentlich schon geschrieben, daß ich jetzt in der Leihbücherei beim Geß bin? Ich konnte schon sehr schöne Bücher lesen. Augenblicklich „Die Leute auf Berg“ von Gunnar Gunnarsson. Ein wunderbares Buch. „Und ewig rauschen die Wälder“ hat er auch geschrieben. In der Bücherei giebts das auch, aber das habe ich doch von Dir geschenkt bekommen. „Carin Goring“, „Eisen im Feuer“ von Clara Viebig, „Novwellen von Frieda Schanz habe ich auch schon gelesen. In den neuen Verordnungen heißt es ja jetzt auch, daß Buchhandlungen geschlossen werden und dafür Leihbüchereien unterstützt werden sollen. Die noch vorhandenen Bücher sollen in die Büchereien kommen. Beim Geß giebt es ca. 1 ½ Tausend Bücher. Das kino ist mir nicht wichtig, aber ein schönes Buch muß ich immer wieder mal lesen, solange es noch möglich ist. Ich bin hier eine Vertrauensperson für Schlüssel geworden. Frau Leimenstoll ist verreist, da hat sie mir ihre Schlüssel gegeben. Frau Bolz fragte mich vor kurzem auch, ob sie mir ihre Schlüssel geben dürfte, wenn sie verreisen würde.  Doch ich gehe jetzt erst einmal schlafen. 
Vorher kriegst Du noch einen festen Kuß von Deiner Annie.   

U r l a u b     auf die Fahrt mitgegeben)

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