Mein lieber Ernst
! 10.8.44
Heute erhielt ich nur
einen Brief von Papa. An Dich wird er sicher denselben geschickt haben. Dabei
war noch die Abschrift Deines Briefes an ihn.
Viel zu berichten habe ich heute nicht. Da will ich Dir erst mal ein
paar kleine Sachen von Jörg erzählen. Er brachte mir heute eine Pflaume. „Es
ist ein Kern drin“ meinte er. „Na, das weiß ich doch“ sagte ich. Darauf meinte
er ernsthaft,“Das könntest Du doch auch vergessen haben in der langen Zeit,
seit Du keine mehr gegessen hast.“
Vorhin sind wir im Garten. Da meint Jörg
plötzlich: „Mir ist das Herz in die Hose gerutscht.“ Wie ich zu ihm hinschaue,
hat er sich doch ein Bohnenblatt, das wie ein Herz aussieht, auf seinen
Hosenboden gepappt. Da habe ich doch lachen müssen. Unsere Zwei waren vormittags und nachmittags baden. Da hatte sich
auch Helgas Verehrer vom vorigen Sommer eingefunden, der jetzt Luftwaffenhelfer
ist. Der hat gleich gefragt, ob sie heute Abend eine Stunde frei habe. Helga
hat natürlich nein gesagt.
Dann hat er noch ziemlich anzüglich geredet, sodaß
Helga daheim geweint und gesagt hat „was denkt der eigentlich von mir. Ich will
anständig bleiben.“ Ein anderer Junge hat zu ihr gesagt, sie gefiele ihm. Nur
gut, daß Jörg mit dabei ist, da können sie nicht aufdringlich werden. Sie glauben ja alle nicht, daß Helga erst 12
Jahre wird. So hat man schon seinen Kummer, kaum daß die Kinder größer
werden.
Die ersten 4 Tomaten haben wir
heute geerntet. Ich habe immer eine große Freude, wenn ich wieder etwas ernten
kann. Gurken konnte ich auch wieder
holen, da gab es heute Mittag Bratkartoffeln und Gurkensalat. Das schmeckte
gut. Die ersten 2 Pfund Brombeeren habe ich auch geholt. Heute Morgen habe ich
im großen Garten noch Rosenkohl und Grünkohl gesetzt. Am Abend haben wir Drei
im großen Garten an den Büschen entlang
Unkraut gejätet.
Es war wieder eine Unmasse. Ich habe auch mal Falläpfel unten
geholt und das erst Apfelmus gekocht. Sehr süß ist es ja noch nicht. Die Kinder
essen ja im allgemeinen die Äpfel alle schon so auf, da habe ich nicht viel
Mühe mit kochen. Wenn sie aber größer und süßer werden, mache ich wieder
Apfelringe dabon.
Morgen gehe ich
wieder mal mit baden. Darauf freue ich mich schon. Denk Dir, heute haben sie
einer Frau, die ihr Rad beim Bad eingestellt hatte, den Mantel von einem Rad
runtergemacht. ist das nicht gemein? Darum nehme ich nicht gern ein Rad mit,
wenn ich längere Zeit nicht nach ihm sehen kann.
Du siehst, wichtiges hatte ich Dir nicht zu berichten. Aber
vielleicht nimmst Du es doch als einen Gruß von mir. Ich grüße und küsse Dich und denke immer an Dich
Deine Annie.
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