Mein liebster Ernst! Konstanz,
30.8.42
Heute möchte ich Dir Deine lieben Briefe vom 16., 17. und
18. Beantworten. Ich habe nun gelesen, dass Du in C. angekommen bist und soweit
alles gut vorgefunden hast, außer den kleinen Haustieren. Du hast ja gleich mit
rauer Hand zugefasst, als solch ein liebliches Tier mit Dir Bekanntschaft
schließen wollte. Wie kann man auch so roh sein.
Ein eigenes Zimmer hast Du auch wieder. Das wird Dich
freuen. Aber die Hauptsache ist doch, dass die Kameraden nett sind, denn das
verbessert doch gleich alles. Wenn Du durch Zuzahlen etwas besseres Essen
bekommen kannst, so nimm das nur wahr. Wer weiß, wie lange das so geht.
Schön ist es bestimmt nicht gewesen, als in Eurem letzten
Einsatzort die Flieger so angegriffen haben. Man ist so hilflos dagegen. Es ist
ja kein Vergleich dazu, aber als vor 2 Nächten die Flieger so über uns
wegflogen, war es doch auch ein komisches Gefühl. Man sitzt so da und könnte
sich gar nicht wehren, wenn es ihnen einfallen sollte, Bomben fallen zu lassen.
Viel schlimmer ist es ja, wenn man so direkt im Freien steht.
Gespannt bin ich, ob Dein Gesuch an die Stadt Erfolg hat. Zu
hoffen wäre es ja, aber wenn man den Mann kennt, der da zu bestimmen hat, so
hat man doch manchen Zweifel. Aber auch da heißt es abwarten. Das lernt man ja
jetzt.
Wenn sich die Leute geniert (scheniert!) haben, als Du mit
einer schäbigen Uniform ankamst, so finde ich das ja einen Quatsch. Wir haben
ja schließlich Krieg, und nicht jeder hat eine vornehme Herkunft. Aber böse
wirst Du ja über eine bessere Uniform nicht sein, Du hattest Dich ja schon
vorher um eine bemüht. Man bewegt sich gleich ein wenig sicherer, wenn man
ordentlich angezogen ist.
Ich danke dir, dass du an unseren Hochzeitstag gedacht hast.
Wenn du mir nicht dazu schreiben konntest, so ist das gar nicht schlimm. Die
Hauptsache ist doch, du denkst daran, und denkst gerne daran. Und das hoffe
ich.
Es waren doch schöne Jahre, die wir zusammen verlebt haben.
Bereut habe ich es noch nie, und du schreibst ja auch, dass du es noch nicht
getan hast, dass wir seinerzeit geheirate haben. Wie der Geburtstagsbrief
ausgefallen ist, weiß ich ja noch nicht, denn ich habe ihn ja noch nicht
gelesen. Aber ich glaube, dass er mir sicher gefallen wird, denn Dich sehe ich
doch im Geist dahinter und weiß auch, dass du an diesem Tag mit deinen Gedanken
bei mir bist. Wenn es nach dem Schreiben geht, so bin ich manchmal mit meinen
Briefen nicht zufrieden, aber ich meine, Du wirst mich schon verstehen, und
weißt, wie ich es meine.
Wenn du schreibst, dass die Ernährung bei der Bevölkerung dort
so schlecht ist, so sieht man erst wieder, wie gut wir es doch haben. Ich habe
zwar noch nie geklagt, aber man nimmt es doch ziemlich selbstverständlich hin,
dass man alles noch soweit bekommt.
Wir waren doch gestern in „Struwelpeter“. Ich hatte mir nicht
viel davon versprochen, aber ich muss sagen, ich war sehr angenehm enttäuscht.
Es wurde mit einfachen Kulissen und Mitteln gespielt, aber so lebendig und
natürlich, dass es wirklich Freude machte. Die Kostüme waren genau dem
Bilderbuch nachgemacht. Ich habe nicht bereut, dass ich mit den Kindern
gegangen bin.
Heute Morgen waren wir in der Wochenschau. Vor allen Dingen
wurden die Kämpfe bei Dieppe gezeigt. Es ist da wirklich schlimm zugegangen.
Vielleicht siehst du die Wochenschau auch, da du jetzt in einer Stadt bist.
Jedenfalls haben die Engländer den Angriff teuer bezahlen müssen. Vor den
Deutschen Stellungen liegen die Toten wie gemäht, und am Strand werden immer
Tote angespült, die es dann dauernd hin und her wirft. Auch die Gefangenen
sehen schlimm aus, besonders gerade nach der Gefangennahme. Manche werfen ihre
Stahlhelme weg, als wollten sie sagen, es hat ja alles keinen Zweck.
Wir haben jetzt immer noch täglich eine reiche Apfelernte.
Mindestens 5 Pfund jeden Tag, heute sogar 10 Pfund. Das kommt auf´s Wetter
drauf an. Wir machen davon Apfelmus, Apfelringe, und essen sie auch so.
Verbraucht werden sie also restlos. Manchmal gebe ich ja auch Nussbaumers und
Leimenstolls welche ab, denn kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, und
man ist auch froh, wenn einem wieder einmal ein Gefallen getan wird. Und auch
sonst, wenn man genügend hat, braucht man ja nicht knausrig sein.
Ich habe dir doch die Bilder von mir geschickt. Wenn ich sie
jemand gezeigt habe, auch Vater, sagen alle, so richtig lachend würden sie mich
gar nicht kennen, aber das andere Bild wäre so, wie ich immer bin. Lachen würde
ich wenig. Was meinst Du dazu? Als Erna da war, hatten wir eben manchmal Spaß,
so dass man schon lachen konnte.
Den Sonntag habe ich heute eigentlich nur mit schreiben
verbracht. Ich habe an Papa, Erna und Kurt geschrieben. Eigentlich sollte Elsa
noch dran kommen, aber ich bin jetzt gar nicht mehr in Stimmung dazu. Außerdem
müssen wir Abendbrot essen, es ist schon ¼ 7 Uhr. Es muss erst noch
hergerichtet werden. Aber hat sie jetzt schon so lange warten müssen, kommt es
auf ein paar Tage auch nicht mehr an.
Helga hat doch jetzt eine neue Lehrerin, Fräulein Allgeyer.
Bis jetzt scheint sie ganz vernünftig zu sein. Sie haben jede Woche ihren
Wochenspruch. Jetzt haben sie vom Schweigen gesprochen. Sie hat ihnen gesagt,
dass Schwätzen Blech und Schweigen Gold sei. Ein Mensch müsse auch schweigen
können. Ein Mensch, der schweigen könnte, sei auch ein wertvoller Mensch. Dann
hat die Lehrerin ihnen gesagt, dass die Mutter ihre Kinder am liebsten hätte,
die streng mit ihnen sei, denn sie würde schon ihr Leben sehen, wie es später
sei, und wollte sie zu guten Menschen erziehen. Auch in der Schule sei es so.
Wir werden abwarten, ob die Lehrerin auch weiterhin so bleibt.
Das hatte ich noch vergessen, zu schreiben. Erna hat mir in
ihrem letzten Brief einen Zuckerabschnitt von 900g mitgeschickt. Das ist doch
sehr nett. Sie schrieb, dieser Zucker sie für´s Apfelmus bestimmt. Sie sagte
mir schon hier, dass sie von Siegfried noch welchen hätte. Aber sie hätte es
doch nicht nötig gehabt, mir welchen zu schicken, bzw. die Abschnitte, damit
ich mir welchen kaufen kann. Einige Backpulver will sie mir auch noch senden,
da es doch jetzt keine mehr gibt, oder höchstens alle Monat mal eins.
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