Mein liebster Ernst! Konstanz,
14.9.42
Ich erhielt heute Deine lieben Briefe vom 2. Und 3.9. Leider
musste ich lesen, daß es dir gar nicht gut war. Du sprachst zwar die Hoffnung
aus, dass es am nächsten Tag vorbei sein möge. Ob es auch der Fall gewesen ist?
Ich wäre ja sehr froh darüber und warte nun mit Sehnsucht auf Deinen nächsten
Brief. Du mein liebster Schatz, Du darfst dich nicht krank werden.
Der Brief vom 15. Ist dir also doch nachgeschickt worden.
Das freut mich wirklich. Daß Du Dich so über Papa ärgerst, das wollte ich ja
nicht. Du sollst Dir nicht auch den Kopf schwer machen müssen. Aber Du hast die
Äußerung über die Bezahlung der Fracht auch häßlich gefunden. Da sind wir also
auch einer Meinung. Aber bei Papa ist es eigenartig, er beleidigt schnell
jemand und vergißt schnell, daß er es getan hat. Aber er ist schnell beleidigt,
wenn man ihm was sagt. Als ich mal geschrieben habe, wie er früher gegen Dich
war, hat er ganz erstaunt zu Erna gesagt:“ Das soll ich getan haben, das kann
ich mir nicht denken.“ Aber ich glaube, da haben wir das bessere Gedächtnis.
Ich bin ja gespannt, was Papa alles zu erzählen hat, wenn er
kommt. Auf ein paar Predigten kann ich mich ja gefaßt machen. Aber alles mit
der Ruhe, nur keine Aufregung.
Von Beeren habe ich geerntet:
Johannisbeeren ca. 20 Pfund. Die die Kinder so vom Strauch
gegessen haben, sind nicht dabei. Das macht auch einige Pfund aus.
Stachelbeeren ca. 34 Pfund gepflückte, sonst wie vorstehend.
Erdbeeren ca. 28 Pfund.
Brombeeren hat es keine gehabt, nur einzelne. Aber es hat
nirgends welche gehabt, ich habe überall geschaut. Wenn ich sie nur erst wieder
verschnitten hätte, es ist jetzt der richtige Urwald.
Wenn Du mir etwas Butter schicken kannst, so bin ich dir
natürlich absolut nicht böse. Eine Rücklage schadet ja nie. Wie ich Dir schon
schrieb, habe ich ja auch bisher nicht alles verbraucht, sodaß ich zwei kleine
Töpfe mit Butter da habe. Von dem Zwieback, den Du uns noch aus Frankreich
geschickt hast, habe ich jetzt zwei Mal eine Zwiebacktorte gemacht. Da kommt
unten hin Zwieback, darüber Apfelmus oder eine flüssige Marmelade, dann wieder
Zwieback und dann Pudding. Davon sind die Kinder begeistert. Die Füllung weicht
den Zwieback etwas auf, sodaß er dann wie ein Kuchenteig ist.
Nach einer oder mehreren Blechbüchsen werde ich einmal
nachsehen und schicke sie dir dann, ebenso Bindfaden. Wie die Eier ankommen,
bin ich auch gespannt. Ich werde sie dann schon bald verbrauchen, wenn sie noch
gut sind.
Mit der Gartenarbeit war es in letzter Zeit nicht so
schlimm. Man kann jetzt wenig tun, dafür häuft sich die Arbeit in wenigen
Wochen, wenn es ans Einkellern und Umgraben geht. Heute habe ich nur mal den
Komposthaufen umgestochen. Das meiste ist schon zu Erde geworden. Dann habe ich
einige trockene Bohnen gepflückt und ausgekernt.
Geärgert hat sich Helga nicht, daß Jörg erst mehr auf der
Sparkasse hatte, denn ich habe sie gleich auf ihren Geburtstag vertröstet. Und
sie ist ja auch nicht enttäuscht worden.
Die 2 großen Umschläge mit Briefumschlägen sind heute auch
angekommen. Ich kann sie sehr gut brauchen und muß sie nicht auf Eis legen. Ich
hatte fast nur die mit „Donau“ noch. Jetzt können die einstweilen noch in
Reserve bleiben.
Heute waren die Kinder schon wieder baden. Meinst Du nicht,
es müssten ihnen bald Flossen wachsen? Heute hatten mich die Kinder gebeten,
ich sollte, wenn ich in die Stadt fahre, mal am Rhein beim Bad rufen. Das habe
ich auch getan, und sie kamen gleich oben, wo früher das Cafe im Bad war,
angerannt. Ehe ich mich´s versah, war Jörg über´s Gitter geklettert, die Wand
runtergerutscht und stand vor mir. Ich dachte: “Wie wir er wieder rauf kommen?“
Aber das ging so fix. Oben am Gitter angefasst, Beine und Arme ein wenig
angezogen, und schon stand er wieder oben. An so Sachen sieht man manchmal, wie
die Kinder größer werden. Vor einigen Jahren wäre er noch nicht so geklettert.
Von Siegfried bekam ich heute einen Brief, den er kurz vor
Urlaubsende geschrieben hat. Aber die Verhältnisse zuhause will er mir nochmals
ausführlich schreiben. Ich habe an eran heute eine Karte geschrieben, in der
ich mich für die gesandten Backpulver bedankt habe, ebenso für den
Geburtstagsbrief.
Nach dem Nachttischlämpchen für Helga laufe ich noch immer
herum. Jetzt soll es wahrscheinlich nächste Woche kommen. Ich bin wirklich
gespannt, ob´s stimmt? 20 Mal lange nicht, wie oft ich schon danach gelaufen
bin.
Vater hat jetzt auch eine Debatte im Geschäft. Sie bekommen
doch Zusatzkarten. Davon wurden ihm jetzt Fleisch und Fett abgeschnitten. Dazu
soll er noch Nährmittelkarten hergeben und soll zu Mittag in der Kantine essen.
Das will er aber nicht, weil er doch nicht alles isst. Jetzt hat er nun Krach
gemacht, aber es nutzte nichts. Nun war er auf der Arbeitsfront. Die haben
gesagt, das wäre eine neue Bestimmung, wer kurze Mittagspausen hat, dass er
nicht heim gehen kann, muß in der Werksküche essen. Vater will nun nochmals
auf´sErnährungsamt gehen. Ich bezweifle ja, dass es etwas nützt. Aber richtig
finde ich es ja nicht, dass man einfach dort essen muss. Evtl. will Vater auf
die Fleisch- und Fettkarten verzichten, aber essen tut er nicht dort.
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