Samstag, 23. September 2017

Brief 422 vom 16.9.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 16.9.42

Zuerst möchte ich vor allem schreiben, dass ich heute keinen Brief bekommen habe und ein Bisschen in Sorge bin, weil Du doch im letzten Brief vom 3. Geschrieben hast, dass du nicht ganz gesund warst. Hoffentlich ist es nicht schlimmer, sondern bald besser geworden. Ich wünsche es von ganzem Herzen, du mein lieber Mann.
Nun will ich dir von heute erzählen. Wie ich dir schon schrieb, wollten wir auf den Pfänder. Am Morgen war es trüb, und regnete auch. Aber Papa wollte doch gehen. Mit dem Postomnibus sind wir in die Stadt gefahren, mit dem Schiff ging es um 8 Uhr fort. Bis Lindau regnete es teilweise noch, dann fing es an, sich aufzuhellen. In Bregenz sind wir gleich zur Pfänderbahn gegangen und sind rauf gefahren. Oben haben wir uns erst alles angesehen, die Aussicht war halbwegs gut. Dann haben wir im Pfänderhotel Suppe und Salatplatte (Kartoffelsalat mit grünem Salat, Tomaten, Gurken und Rettich) gegessen. Es hatte sich inzwischen weiter aufgeklärt und ein ziemlich kühler Wind wehte. Um 2 Uhr sind wir wieder herunter gefahren. Dann haben wir mal gesucht, wo wir die Angelkarte für Papa bekommen.  Dreimal sind wir erst falsch wohin geschickt worden, bis wir endlich beim Fischereiamt gelandet sind. Da hat Papa innerhalb ½ Stunde den Ausweis erhalten. Ich muss sagen, die Beamten überall (wir waren noch auf dem Rathaus und dem Landratsamt, nachdem uns erst eine Frau an ein Fischereiartikelgeschäft gewiesen hatte) waren sehr höflich und entgegenkommend. Das war direkt wohltuend. Bis Papa die Karte bekam, sind wir nochmal in ein Cafe gegangen und haben einen Kaffee getrunken. Dann sind wir zum Schiff gegangen. Wir hatten dann eine schöne Fahrt heim. Es hatte heute ziemlich Wellen, so dass es manchmal bis auf´s Deck spritze. Das hat unserem Jörg viel Spaß gemacht.
Die ganze Fahrt hat mich nichts gekostet, Papa wollte alles allein bezahlen. Es war auch ganz schön, nur ist es natürlich nicht so, als wenn wir zusammen gefahren sind. Papa hat nirgends richtige Ruhe. Na, du kennst ihn ja. Dass er so alt geworden ist, wie er manchmal schreibt, das ist auch nicht der Fall. Er rennt noch die ganze Zeit. Auf dem Heimweg kam Papa auf Erna zu sprechen. Da habe ich schon gemerkt, dass wir nicht ganz einer Meinung sind. Übrigens hat Siegfried und Erna ein großes Zimmer für sich gemietet bei einer Frau mit Kinde. 20.-Mk. kostet es im Monat. (Nun hab ich auch noch einen Klex gemacht. Das sollte nicht passieren, aber an der Feder war eine Fussel.)
Als wir heim kamen, haben wir erst noch Abendbrot, Bratkartoffeln mit Sauerkraut, gegessen. Die Kinder sind dann gleich in´s Bett gegangen. Papa hat noch die Nachrichten gehört und hat sich dann auch hingelegt. Ich sitze nun noch alleine hier. Aber schlafen will ich nun auch gehen, denn es ist ¼ 12 Uhr. Du wirst vielleicht schon schlafen, nicht wahr?
Die Kinder haben Papa erzählt, dass sie 117,50 auf der Sparkasse haben. Da hat er jedem 2,50 geschenkt, damit die 120.- voll werden.
Nun wirklich gute Nacht, mein lieber Ernst, wach gesund wieder auf. Ich grüße und küsse dich recht herzlich Deine Annie.

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