Donnerstag, 7. September 2017

Brief 410 vom 2.9.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 2.9.42

Erst möchte ich mich entschuldigen, dass ich gestern nicht geschrieben habe, trotzdem doch ein wichtiger Tag für uns war. Ich hatte es mir auch ganz bestimmt für den Abend vorgenommen, aber dann war ich so müd, dass ich gar nicht wusste, was ich schreiben sollte. Tagsüber hatte ich immer zu schaffen, früh war ich ja nähen, und gegen Abend bat mich Jörg, dass ich ihm doch beim Ausschneiden und Zusammenkleben seiner kleinen Modellierhäuser helfen möge. Das habe ich dann auch getan und er hat sich sehr gefreut. Den Bogen hatte er doch am Geburtstag bekommen.
Ich habe gestern ganz besonders fest an Dich gedacht, und war erst direkt ein bisschen traurig geworden, dass wir nicht zusammen sein konnten. Aber das geht ja nun einmal nicht und unvernünftig sind wir ja auch nicht. Also müssen wir bis später warten, wo wir hoffentlich noch recht lange Jahre zusammen sein können.
Heute erhielt ich nun gleich drei Briefe von Dir, vom 19., 20. und 21.8., für die ich dir sehr danke. Du erwähnst zuerst Vaters Geburtstag, und sagst, dass er es im Allgemeinen nicht gern gehabt hat, wenn man viel davon spricht. Ach weißt Du, so abgeneigt ist er nicht mehr, vor allen Dingen, da er dabei so umhalst und abgeküsst wird von unseren beiden Lausern. Ich schrieb dir ja schon, das mag er gern. Sie sagen ja auch, dass sie ihn lieb haben, und darüber freut er sich auch. Als wir am Mittag hinkamen, sagte er gleich:“ Ich wollte gerade Brot holen, ich wäre aber die Schneckenburgstraße rauf gegangen, weil ich mir dachte, dass ihr vielleicht runter kommt." Rauf gekommen ist er an dem Abend auch gern. Ich meine immer, er freut sich, wenn er sieht, es hat ihn jemand gern, denn in den letzten Jahrzehnten hat er doch wenig Freude gehabt. Ich freue mich auch, dass ihn die Kinder gern haben und unterstütze das auch. Er ist ja auch immer gut zu ihnen.
Unterhaltung hättest Du also wieder genug, wenn Du immer von der Dienststelle weg könntest. Vielleicht kannst Du aber doch hin und wieder einmal ein Kino oder Oper besuchen, wenn es auch nicht so oft ist.
Dass ihr gutes Essen habt, finde ich ja schön. Weniger schön finde ich es, dass es sich so vom Mannschaftsessen unterscheidet. Es sollte da eigentlich kein Unterschied bestehen. Nicht, dass ich dir das Essen nicht gönnen würde, das weißt du schon, aber es tut doch draußen jeder seine Pflicht, da sollte auch die Verpflegung die gleiche sein.
Wegen uns brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen das wiederhole ich nochmals. Wir haben noch nicht hungern müssen, und die Einschränkungen sind wir schon gewöhnt. Wenn es so bleibt, kommen wir schon durch.
Mit dem Wotka mit Ei war es schon so, dass es mir schwindlig geworden ist, wenn Du es auch nicht glauben kannst. Du weißt ja, ich vertrage gar nicht viel. Ich habe es ja dann mit Milch getrunken, und da hat es sehr gut geschmeckt.
Wegen dem Schwimmen der Kinder ist es so, dass ich selber großes Interesse daran habe, es ihnen zu lernen. Als ich in der vergangenen Woche mit ihnen baden war, konnte Helga schon 2 – 3 Stöße machen, wenn ich sie nur ganz wenig anhielt. Ich mache es gern, dass ich mit ihnen im Winter öfter ins Hallenbad gehe, um ihnen das Schwimmen richtig zu lernen. Heute sind beide auch wieder im Freibad (Hallenbad). Ich wäre gern mitgegangen, denn es ist heute wieder sehr heiß, aber ich hatte bis vorhin Wäsche. Da ging es schlecht. Vielleicht packe ich´s jetzt noch und fahre hinterher. Mal sehen. Es ist jetzt ½ 5 Uhr. Bis ½ 8 ist ja auf.
Heute Abend will ich noch an der Schürze für Helga´s Geburtstag weiterschaffen, damit sie bis Samstag fertig wird.
Nun lass mich schließen. Ich fahre noch gleich baden. Ich grüße und küsse Dich recht herzlich Deine Annie.

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