Mein liebster Ernst! Konstanz,
10.9.42
Am Morgen, als ich die Zeitung für Dich holte, habe ich zwei
kleine Päckchen mit den Ketten für Dich auf die Post gebracht. Hoffentlich
kommen sie gut an.
Ich hatte Jörg auf dem Rad mit in die Stadt genommen, ehe er
in die Schule ging. Als wir aus der Post kamen, lief uns Helga entgegen. Ich
war ganz erstaunt, wo sie plötzlich her kommt. Da stand die ganze Klasse
draußen. Sie haben im Stadtgarten am Thermometer Wetterkunde getrieben. Ich
habe die Gelegenheit gleich benutzt und habe die Lehrerin gefragt, ob Helga
nächste oder übernächste Woche einmal einen Tag frei bekäme, weil wir mit Papa
einmal fortfahren wollten. Sie meinte, eigentlich sollte es nicht sein, aber
schließlich hat sie doch eingewilligt. Ich bin dann noch zur Lehrerin von Jörg
gefahren. Die sagte:“ Selbstverständlich bekommt er frei.“ Das wäre also
erledigt.
Ich habe heute wieder etwas Vorratswirtschaft getrieben.
Erst wieder Apfelringe geschnitten, dann Tomatenpüree gekocht, dann Gurkensalat
sterilisiert. Mal sehen, wie sich alles hält. Eigentlich wollte ich heute
nochmals nähen gehen, weil ich dann zwei Mal nicht gehen kann, wenn Papa da
ist. Nun hab ich´s auf Morgen verschoben.
Nachmittags erhielt ich Deinen lieben Brief vom 29.8. mit
der Abschrift Deines Gesuchs an die Stadt. Ich finde es ganz gut. Etwas
verdutzt war ich eigentlich nur über den Anfang: „Ich bitte, mich zum
Stadtsekretär befördern zu wollen.“ Aber es ist sicher gut, wenn sie gleich am
Anfang merken, was du willst. Das Schreiben von der Dienststelle ist auch gut,
es hat mich gefreut, daß Du gelobt wirst. Man sieht doch, daß sie mit dir
zufrieden sind.
Daß Kurt so große Schwünge bei der Schrift macht, ist uns
auch gleich aufgefallen. Ich glaube schon, daß es für ihn nicht einfach ist,
wieder draußen zu sein. Einige weitere Wochen Urlaub hätten ihm bestimmt nicht
geschadet. Mit Erna habe ich mich wirklich gut vertragen. Ich finde, sie ist
wirklich verträglich. Früher war Papa ja auch mit ihr zufrieden, aber du weißt
ja, wenn er mal gegen jemand was hat, dann ist´s aus. Scheinbar haben sie sich
in Leipzig jetzt nochmals ausgesprochen und sich noch über manches geeinigt,
wie sie schrieben. Ich werde ja hören, was Papa erzählt, wenn er herkommt.
Unser Jörg hat es jetzt mit dem finden. Vor einigen Tagen
hat er den kleinen Ring gefunden, heute eine Rolle Haftgarn und einen kleinen
Schraubenschlüssel. Er ist darüber natürlich mächtig stolz. Sie waren heute
wieder baden. Helga übt fest das Schwimmen. Dieses Jahr haben sie ja die
Badezeit gut ausgenützt.
Nun laß mich wieder schließen. Ich grüße und küsse dich
recht herzlich, Deine Annie.
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