Freitag, 15. September 2017

Brief 417 vom 10.9.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 10.9.42

Am Morgen, als ich die Zeitung für Dich holte, habe ich zwei kleine Päckchen mit den Ketten für Dich auf die Post gebracht. Hoffentlich kommen sie gut an.
Ich hatte Jörg auf dem Rad mit in die Stadt genommen, ehe er in die Schule ging. Als wir aus der Post kamen, lief uns Helga entgegen. Ich war ganz erstaunt, wo sie plötzlich her kommt. Da stand die ganze Klasse draußen. Sie haben im Stadtgarten am Thermometer Wetterkunde getrieben. Ich habe die Gelegenheit gleich benutzt und habe die Lehrerin gefragt, ob Helga nächste oder übernächste Woche einmal einen Tag frei bekäme, weil wir mit Papa einmal fortfahren wollten. Sie meinte, eigentlich sollte es nicht sein, aber schließlich hat sie doch eingewilligt. Ich bin dann noch zur Lehrerin von Jörg gefahren. Die sagte:“ Selbstverständlich bekommt er frei.“ Das wäre also erledigt.
Ich habe heute wieder etwas Vorratswirtschaft getrieben. Erst wieder Apfelringe geschnitten, dann Tomatenpüree gekocht, dann Gurkensalat sterilisiert. Mal sehen, wie sich alles hält. Eigentlich wollte ich heute nochmals nähen gehen, weil ich dann zwei Mal nicht gehen kann, wenn Papa da ist. Nun hab ich´s auf Morgen verschoben.
Nachmittags erhielt ich Deinen lieben Brief vom 29.8. mit der Abschrift Deines Gesuchs an die Stadt. Ich finde es ganz gut. Etwas verdutzt war ich eigentlich nur über den Anfang: „Ich bitte, mich zum Stadtsekretär befördern zu wollen.“ Aber es ist sicher gut, wenn sie gleich am Anfang merken, was du willst. Das Schreiben von der Dienststelle ist auch gut, es hat mich gefreut, daß Du gelobt wirst. Man sieht doch, daß sie mit dir zufrieden sind.
Daß Kurt so große Schwünge bei der Schrift macht, ist uns auch gleich aufgefallen. Ich glaube schon, daß es für ihn nicht einfach ist, wieder draußen zu sein. Einige weitere Wochen Urlaub hätten ihm bestimmt nicht geschadet. Mit Erna habe ich mich wirklich gut vertragen. Ich finde, sie ist wirklich verträglich. Früher war Papa ja auch mit ihr zufrieden, aber du weißt ja, wenn er mal gegen jemand was hat, dann ist´s aus. Scheinbar haben sie sich in Leipzig jetzt nochmals ausgesprochen und sich noch über manches geeinigt, wie sie schrieben. Ich werde ja hören, was Papa erzählt, wenn er herkommt.
Unser Jörg hat es jetzt mit dem finden. Vor einigen Tagen hat er den kleinen Ring gefunden, heute eine Rolle Haftgarn und einen kleinen Schraubenschlüssel. Er ist darüber natürlich mächtig stolz. Sie waren heute wieder baden. Helga übt fest das Schwimmen. Dieses Jahr haben sie ja die Badezeit gut ausgenützt.
Nun laß mich wieder schließen. Ich grüße und küsse dich recht herzlich, Deine Annie.

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