Freitag, 15. September 2017

Brief 421 vom 15.9.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 15.9.42

Heute erhielt ich Deine beiden lieben Briefe vom 31.8. und 1.9. Über den letzteren habe ich mich ganz besonders fest gefreut. Dein Lob über mein Aussehen auf den Bildern hat mir so gut getan, das glaubst Du gar nicht. Ich bin doch auch eine Frau und möchte Dir gefallen. Die Bilder habe ich Dir nicht nur wegen meiner Frisur geschickt, sondern vor allem, damit Du siehst, wie ich jetzt aussehe. Du sollst doch sehen, daß Du eine Frau hast, an der Du Dich auch ein Bisschen freuen kannst. Die Bilder hat Erna mit unserem Photo gemacht. Verschnitten habe ich sie deshalb, weil sie nicht ganz so waren, wie ich sie wollte. Ich wollte nur Brustbilder haben und nicht fast den ganzen Körper. Es wirkt ganz anders. Sonst war Zaun, Blumen usw. mit drauf.
Den Schrank unterzubringen war gar nicht so schwer.Enger ist es nicht geworden, im Gegenteil ist der Gang zum Fenster breiter, weil der Schrank viel schmaler ist, als die Waschkommode.
Über Deine Schilderung von der Stadt habe ich mich auch gefreut. Man lernt da ein wenig das Land kennen.
Heute Mittag ist nun Papa angekommen. Ich habe ihn von der Bahn abgeholt und wir sind mit dem Postomnibus heimgefahren. Um ¾ 1 ist Papa den Kindern entgegen gegangen, die aus der Schule kamen. Helga hat ihn erkannt, Jörg ist vorbei gelaufen. Nach dem Mittagessen haben die Kinder Schulaufgaben gemacht und Papa hat geschlafen. Dann sind wir in die Stadt gegangen. Bei Müllers haben wir erst ein Eis und ein Stück Torte gegessen. Dann hat sich Papa auf der Polizei angemeldet, dann hat er sich die Grenze angesehen und dann sind wir heimgefahren. Ich hatte leider so rasende Kopfschmerzen bekommen, daß es mir ganz schlecht wurde. Jetzt ist es wieder besser. Wenn es morgen schön sein sollte, wollen wir nach Bregenz fahren. Papa will sich dabei gleich eine Angelkarte inBregenz besorgen. Bis jetzt ist zwar noch ein Gewitter, aber es ist ja möglich, daß es sich aufklärt.
Papa hat uns heute einige Bücher mitgebracht. Für mich: Der Heiland vom Linsenhofe von Schröer und der Schuß von der Kanzel von Meyer. Für Helga: Schlesische Sagen und für Jörg: Wir funken für Franco, von Helmut von Führing.
Nun mein liebster, bester Ernst, bleib mir ganz gesund. Ich grüße und küsse Dich ganz oft und fest. Deine Annie.
Alle meine Leute sind schon im Bett. Auch Papa, denn er war von der Fahrt müde. Ich sitze mit Vater noch allein hier. Er nimmt nachher den Brief noch mit. Ich gehe nun auch bald schlafen, denn ½ 6 heißt es raus, wenn wir fortfahren wollen. Nochmals viele Grüße und Küsse von Deiner immer an Dich denkenden Annie.

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