Freitag, 15. September 2017

Brief 419 vom 13.9.1942


Mein lieber Ernst!                                       Konstanz, 13.9.42

Heute, am Sonntagnachmittag, sitze ich allein daheim. Die Kinder sind beim Baden. Ich konnte leider nicht mit. Heiß ist es ja wieder sehr. Am nächsten Samstag wird das Freibad geschlossen. Da wollen sie es noch ausnutzen. Die Kinder freuen sich schon, dass der Baldisch nachher auch ins Hallenbad rauf kommt als Bademeister. Den mögen sie gern.
Du schreibst in Deinem Brief, den ich gestern erhielt, etwas vom Eis essen. Also, den Bauch haben wir uns nicht verkühlt. Dass das Geschäft jetzt zu ist, wird vielleicht daher kommen, dass der Mann genug verdient hat. Da er ja Italiener ist, ist er vielleicht wieder nach Italien gefahren. In Cafes gibt es ja noch Eis, aber so gut ist es doch nicht.
Nun kommt ja Papa bald. Ich will heute schon alles fertig schaffen, was noch zu tun ist. Bloß bei der Hitze und bei den ekelhaften Fliegen hat man gar keine richtige Lust dazu. Vater schafft heute den ganzen Tag in der Fabrik, bis ½ 6 Uhr. Ganz leicht ist es ja für ihn auch nicht mehr.
Hast Du dort eigentlich auch Radio? Vielleicht hörst Du auch heute Nachmittag. Noch wahrscheinlicher wird es aber wohl sein, dass du in der Stadt bist, wenn Du frei hast. Bis jetzt war es mit der Freizeit ja nicht so gut bestellt.
Weißt Du, was ich noch gar nicht getan habe? Dir auf Deinen Geburtstagsbrief geantwortet. Das will ich aber gleich nachholen. Vor allem möchte ich Dir dafür danken, auch besonders für Deine guten Wünsche. Hoffentlich bleibe ich, wie du schreibst, gesund, da wird auch alles weiter gehen. Mir ist die Hauptsache, dass du uns lieb behältst. Da habe ich zu allem Lust und Freude und gebe mir auch Mühe, dass alles richtig klappt.
Wie ich Dir schon schrieb, habe ich das Geburtstagsgeld ja gut verwendet. Du musst dich doch nicht entschuldigen, dass du nur Geld schicken konntest. Ich weiß ja, dass es nichts zu kaufen gibt. Und außerdem hast du so viel Geld geschickt, dass ich wirklich ganz erstaunt war. Dass ich einen Teil gespart habe, darüber wirst du doch nicht böse sein.
Du fügst Deinem Brief noch den Wunsch hinzu, dass wir bald wieder einmal einige Urlaubstage zusammen verleben könnten. Diesen großen Wunsch habe ich auch. Aber es wird wohl nicht so bald möglich sein, darum denke ich so wenig, wie möglich daran. Sonst wird die Sehnsucht immer größer und das Warten noch schwerer.
Nun will ich schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

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