Mein liebster Ernst! Konstanz,
17.9.42
Deine lieben Briefe vom 4., 5. und 6.9. habe ich heute
erhalten. Ich bin froh, dass es dir noch soweit gut ging und dass du nicht
krank geworden bist.
Die Badetage haben wir, und vor allem die Kinder, wirklich
ausgenutzt. Heute bin ich wieder mal mitgegangen. Es war fein. Nur muss man
sich bald ins Hallenbad verziehen, es wird schon kühl. Helga hat mir ihre
Schwimmkünste vorgeführt. Im Hallenbad, wo wir auch rauf gegangen sind, ist
Helga über die ganze Breitseite der Halle geschwommen, wenn auch noch mit zu schnellen
Bewegungen. Das sind doch schon gute Fortschritte.
Auch ich erinnere mich gern an alles, was früher so war, an
unser ganzes früheres Leben. Aber manchmal muss ich alle Erinnerungen
verbannen, denn dann werden Wünsche übermächtig und die Gegenwart ist sehr
schmerzlich. Am liebsten gehe ich da gleich schlafen, und am nächsten Morgen
habe ich mich wieder soweit gefunden, dass ich meine Arbeit wieder tun kann.
Als ich heute deine Schilderung vom Baden las, dachte ich auch so daran, wie
ich früher nur soweit schwimmen konnte, wie ich stehen konnte. Dann bekam ich
es mit der Angst zu tun. Dann hast Du mir aber gut zugeredet, und zuletzt
konnte ich soweit mit hinausschwimmen, dass ich die Pappel von der Mainau sah.
Fein war´s damals schon. Dieses Jahr waren wir nun vor allem im Hallen- bzw.
Freibad. Es war auch schön, aber das freie Schwimmen hat man doch nicht.
Wenn dir die Erinnerungen eine Stärkung der seelischen Kraft
bedeuten, so bin ich sehr froh darüber, sehe ich doch daraus, dass du dich gern
an die zusammen erlebten Jahre erinnerst und dass du uns auch nicht vergisst.
Ich glaube nicht, dass die Nähmaschine in der Küche leidet,
haben doch Nußbaumers z.B. ihre Maschine schon jahrelang in der Küche. Und bei
denen ist es viel feuchter, als bei uns.
Helga hat sich schon ein Bisschen geärgert, dass sie am
Geburtstag in die Schule gehen musste. Ich habe es ihr aber dadurch versüßt,
dass sie ihr gutes Kleid anziehen durfte. Ich habe ihr auch gesagt, dass es mir
früher genauso ging.
Dein Brief an Jörg ist heute angekommen. Er hat ihn mit
Freude gelesen und hat öfter lachen müssen. Er will dir bald wieder schreiben.
Solange Papa da ist, wird es zwar nichts werden.
Bei uns ist es scheinbar mit dem Sommer auch vorbei. Gegen
Abend wird es schon sehr kalt. Man kann gut eine Jacke tragen. Es ist ja auch
bald Oktober.
Die Preise von dort sind ja unverschämt hoch. Da kann man ja
gar nichts kaufen. Für das Rezept danke ich dir. Ich probiere es sicher mal.
Ich denke, dass der Kuchen gut schmecken wird.
Nun hast Du endlich wieder die laufenden Briefe von mir
bekommen. Das freut mich. Die Bilder haben dir also auch vergrößert gefallen.
Sollte ich so einen ähnlichen Hut bekommen, kaufe ich mir vielleicht einen.
Wenn du nur hier wärst. Für dich möchte ich doch vor allem schön sein.
Heute Abend höre ich auch Belgrad und denke dabei ganz
besonders an Dich. Ich höre es nicht jeden Abend, weil ich es manchmal nur mit
schweren Störungen bekomme. Aber soweit ich kann, werde ich ihn jetzt abends
einstellen und werde dadurch etwas mit dir verbunden sein.
Papa war heute Nachmittag beim Angeln. Am Vormittag hat er
erst Würmer gesucht und hat meinen ganzen Komposthaufen durcheinander gebracht.
Gefunden hat er doch nichts darin, weil er erst neu gebaut war. Dafür hatte er
dann in Leimenstolls Misthaufen reiche Ernte. Frl. Ludwig hat heute an Papa 2
Päckchen Zigaretten, ihr Bild und 1000g Brotmarken geschickt.
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