Samstag, 23. September 2017

Brief 424 vom 18.9.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 18.9.42

Heute erhielt ich Deinen lieben Luftpostbrief vom 11.9. und das Päckchen Nr.36 mit den Eiern. 2 Stück waren schlecht, bzw. gleich angeschlagen. Bei einem war etwas ausgelaufen, beim anderen sah man nur einen Riss, und als ich es in eine Tasse schlagen wollte, gab es direkt einen Krach und es flog auseinander. Einen Gestank hat es verbreitet, das glaubst du nicht. Drei Eier habe ich heute für Kartoffelpuffer verwendet. Ich danke dir jedenfalls sehr dafür, dass du mir welche geschickt hast. Da du nun bald keine mehr sehen kannst, schicke ich dir gerne Marmelade. Ich freue mich ja so, dass ich dir einen Wunsch erfüllen kann, du lieber Kerl.
Die 4 Päckchen, von denen ich dir schrieb, müssen wir wohl abschreiben, aber einen Gauner hat man ja in Konstanz nun erwischt.
4 Rasierklingen habe ich dir wieder besorgen können. Ich schicke sie dir in den nächsten Tagen mit. Papa hat einen Rasierklingenschärfer, mit dem er sehr zufrieden ist.Er will ihn dir schenken. Es ist ein halbrundes Metallding. Das muss man leicht einfetten. Dann ist eine Scheibe mit einem kleinen Knopf da. Das wird auf das Halbrunde gelegt, darauf die Klinge, dass der Knopf durch die Rasierklinge schaut, dann hin und her geschoben. Vielleicht nutzt es dir was, wo die Klingen jetzt so rar sind. Es werden ja jetzt auch nur noch zwei Einheitssorten hergestellt.
Heute Vormittag habe ich Lebensmittelkarten geholt. Helga bekommt diesmal, da sie nun 10 Jahre alt ist, 2600g Brot in der Woche, statt 1700g bisher. Das macht doch schon was aus. Erwachsene bekommen 2000g. Vom nächsten Mal an wird ja die Ration wieder auf 2250g erhöht. Auch gibt es wieder 50g Fleisch mehr. Bei den Kindern bleiben die Brotrationen die gleichen.
Von 11 bis 1 waren die Kinder mit Papa beim Angeln. Dann haben wir Mittag gegessen. Später sind die Kinder ins Turnen und Papa und ich ins Kino gegangen. Es wurde „Die rote Mühle“ gespielt. Hinterher sind wir noch einkaufen gegangen. 1 ½ Pfund Weintrauben haben wir sogar bekommen. Später hat Papa in der „Post“ noch zwei Bier getrunken und wir Limonade. Dann sind wir heimgegangen. Nach dem Abendbrot und dem Aufräumen habe ich mich nun ans Schreiben gesetzt. Nun bin ich aber mit meiner Weisheit zu Ende (wie du manchmal sagst) und will schließen. Ich grüße und küsse dich recht herzlich, Deine Annie.

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