Mein liebster Ernst! Konstanz,
8.9.42
Die letzten Tage habe ich wohl geschrieben, aber doch immer
ziemlich kurz, weil die Zeit immer knapp war. Heute will ich nun einige Sachen
nachholen, die immer keinen Platz mehr gefunden haben. Zuerst möchte ich Dir
aber für deinen lieben Brief vom 27.8. danken, den ich heute Nachmittag
erhielt. Post hattest Du da noch keine erhalten, was aber in der Zwischenzeit
wohl behoben ist. Ja, das Warten auf Briefe ist immer schwer.
Jörg lernt jetzt in der Schule auch das lateinisch
schreiben, die meisten Buchstaben haben sie jetzt schon gelernt. Ins Hausheft
hat er heute auch zum ersten Mal mit Tinte schreiben müssen, was ihn ganz
besonders stolz gemacht hat.
Ich habe doch noch den alten Radioapparat da. Als der
Wiederstand jetzt kaputt war, habe ich probiert, ob er aushelfen kann. Es ist
aber nichts zu machen. Es ist auch so, dass er im Keller ganz verschimmelt. Auf
den Speicher kann ich ihn auch nicht stellen wegen dem Luftschutz, da steht
auch so noch genug da, was man sonst nicht unterbringen kann. Als ich gestern
den Wiederstand holte, sprach der Mayer gerade mit jemand. Sie suchen alte
Apparate zum Ausschlachten, damit sie andere Apparate wieder reparieren können.
Meinst Du, ich soll ihn hin bringen? Gebrauchen kann ich ihn nicht mehr, und er
steht im Weg herum. Bekommen wird man freilich nur ein paar Pfennig dafür, aber
so geht er uns auch kaputt. Schreib mir mal darüber.
Mit dem Luftschutz geht es jetzt bei uns auch strenger her.
Es müssen etwas Wäsche, Kleider, Papiere, Geld, Lebensmittel- und
Kleiderkarten, Bestecke, und etwas zum Essen mitgenommen werden. Außerdem wird
kontrolliert, ob Jeder im Keller ist, andernfalls gibt es Strafzettel. Ich habe
jetzt auch soweit alles hergerichtet. Ich habe den großen Koffer gepackt und
einige Kleidungsstücke hinein getan. In die Truhen, die du mitgebracht hast,
habe ich alle neuen Sachen getan und außerdem habe ich noch deinen neuen blauen
Anzug dazu gepackt, weil ich meine, wenn ja etwas passiert und Brandbomben ins
Haus fallen, so könnte man evtl. noch die Truhen heraus ziehen und so
wenigstens noch etwas retten. Bei einer anderen Bombe wäre ja sowieso alle hin,
und für diesen Fall möchte ich Dich bitten, Dir doch die Nummern unserer
Sparbücher aufzuschreiben. Denn das Geld brauchtest Du doch der Sparkasse nicht
zu schenken, wenn uns ja was passieren sollte, was wir zwar nicht hoffen
wollen. Die Nummern sind; Unser Buch 19837, Helga 11632, Jörg 16041.
Unsere Kinder waren heute wieder baden. Helga übt immer
fleißig das schwimmen, während Jörg noch nicht so viel Lust hat. Wenn ich
später öfter mitgehen kann, muss er aber auch mitmachen.
Im Freibad hat Jörg heute einen echten silbernen Ring
gefunden, der ganz schwarz angelaufen war. Er passt Helga gerade, und so hat er
ihn ihr geschenkt.
Nun will ich Dir noch vom Dauerwellen machen erzählen, wie
ich es dir gestern versprochen habe. Solltest Du den vorherigen Brief noch
nicht erhalten haben, so möchte ich dir nochmal schreiben, daß ich mir von
einem Teil meines Geburtstagsgeldes, was von dir ist, Dauerwellen habe machen
lassen. Also das ging so zu:
Erst wurde das Haar in ca. 20 Rattenschwänze aufgeteilt.
Zwischen 2 Gummiplättchen, die zusammen zu klammern gingen, wurde je so ein
Haarteil gesteckt. Dann kamen Gummilockenwickler, auf die die Haare aufgerollt
wurden, darauf, dann kam ein Stück Papier und darauf eine Klammer.
Dann wurde ein Apparat herangefahren mit ca. 40 Schnüren mit
Steckern. Die kamen in jede Seite der Lockenwickler. Dann wurde der Strom
eingeschaltet und es wurde ziemlich warm. Geduldig habe ich dagesessen. Endlich
wurde alles wieder aufgewickelt. Ich denke, na, endlich fertig. Aber da habe
ich mich geschnitten. Ich bekomme einen Waschlappen in die Hand gedrückt und
gucke ganz erstaunt. „Ja, nun müssen die Haare gewaschen werden“. Ich habe mein
Haupt geneigt, den Waschlappen vor das Gesicht gehalten, und dann ging´s los.
Nachdem die Haare abgetrocknet waren, hingen sie in lauter Schlangen herunter.
„Die Dauerwellen sind sehr gut geworden“, meinte die Friseuse, was ich aber
noch gar nicht finden konnte. Aber nur Geduld, es ging noch weiter. Jetzt fing
sie an, Locken zu legen, Kämme und Wickler in die Haare zu tun, bzw.
einzuwickeln, dann kommt wieder so ein Ungetüm angerollt, wie eine Kappe, aber
aus lauter Röhren. In vielleicht 10cm Entfernung schwebt sie über meinem Kopf,
wieder wird der Strom angestellt, und es wird ziemlich warm. So habe ich wieder
eine ganze Zeit lang gesessen. Dann behaupteten sie, die Haare wären trocken,
wickelten sie von den Wicklern, kämmten sie und ich durfte heimgehen. ¾ Jahr
sollen die Locken halten. Wir werden ja sehen, ob´s stimmt.
So viel Lob, wie in letzter Zeit, seit ich die Haare geschnitten
habe, habe ich vorher lange Zeit nicht gehört. Aber glaubst Du, es ist doch
einmal ganz schön, wenn man auch mal gelobt wird. Da muss ich dem Jürnjakob
Swehn Recht geben, der sagt: “Das hat der alte Adam gern, wenn er gelobt wird.“
Das Buch habe ich jetzt auch erst wieder gelesen (ich weiß nicht zum wievielten
Mal), und es freut mich immer wieder. Damit hast Du mir auch eine Freude
gemacht, als Du es kauftest.
Einige Rasierklingen schicke ich dir heute mit, morgen
folgen noch einige. Die hatte ich noch hier. Zu kaufen gibt es augenblicklich
kein Stück, in ganz Konstanz. Es kann sein, dass in 10 – 14 Tagen welche herein
kommen, aber dann bekomme ich wahrscheinlich auch nur einige Stück. Holen werde
ich sie jedenfalls, und in nächster Zeit immer nachfragen.
Nach Halsketten werde ich auch fragen und dir dieselben
zuschicken, wenn ich sie bekomme.
Heute war ich doch wieder beim Nähen. Die Leute, mit denen
ich sonst immer zusammen sitze, sind ja wieder abgereist. Da hab ich mich an
den anderen Tisch gesetzt, und habe es gerade so getroffen, dass ich zu zwei
Frauen zu sitzen kam, die die ganze Zeit zu reden hatten. Aber das ist schlimm.
Keinen Moment stand der Schnabel ruhig, von 9 bis ½ 12 Uhr. Dabei wurde auch
über Herrn Zahn hergezogen. Der hat sich schwer verhasst gemacht in der
Austraße, weil er sich in alles einmischt. Einen hat er auch wieder besonders
auf dem Korn, der aber scheinbar ein ruhiger Mensch ist. Da hat er es auch
wieder mit dem fromm sein. Resi sagte mir schon mal, das bei ihnen kein Mensch
Herrn Zahn leiden kann. Die Frauen sagten heute auch, dass Frl. Zahn so
unzufrieden sei, weil sie nie fort dürfte und immer alles schaffen muss. Ich
habe ja nichts dazu gesagt, und auch nicht gesagt, dass mir Herr Zahn bekannt
ist, aber ich habe so gedacht, im Frieden kann er auch mit niemand leben, der
sich nicht bevormunden lässt.
Noch eine kleine Bitte habe ich an dich. Schreib mir doch
bitte einmal, dass Du mich noch ganz lieb hast, ich hab so Sehnsucht danach. Am
liebsten würde ich es von dir selber hören. Aber nur schreiben, wenn es auch
ganz bestimmt wahr ist.
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