Mein liebster Ernst! Konstanz,
5.9.42
Heute will ich Dir gleich 3 Briefe beantworten, vom 22., 25.
Und 26.8. Den vom 22. Habe ich gestern erhalten, aber leider bin ich nicht zum
Schreiben gekommen. Am Morgen habe ich Äpfel fertig gemacht, dann waren wir,
Jörg und ich, beim Gärtner und haben einen Blumenstock für Helga geholt. Wir
verlangten „Fleissiges Lieschen“, wie Du mal eins mitgebracht hast. Da führte
uns die Gärtnersfrau zu einem Blumentopf, den ich gar nicht kannte. „Nein, die
Blumen mag ich nicht, sondern die da vorne stehen“ sagte ich. „Ja, das sind
Begonien“ meinte sie. Also habe ich bzw. Jörg, Begonien genommen. Das sind die mit
den vielen Blüten. Gegen Mittag habe ich dann Essen gekocht, später habe ich
Apfelkuchen gebacken, dann für uns und Vater Pflaumen geholt. Dann war ich
wegen Kartoffeln für Vater in der Wilhelmstraße, wo er eingetragen ist. Es gab
aber keine, so daß ich unverrichteter Dinge wieder abziehen musste. Gegen Abend
habe ich den Geburtstagstisch hergerichtet. An der Schütze hatte ich auch noch
etwas zu sticken. Ich war in den letzten Tagen nicht ganz fertig geworden, da
ich wenig dazu gekommen bin. Als ich mit allem fertig war, war es bereits 11
Uhr.
Heute Morgen sind wir schon zeitig aufgestanden. Ich habe
noch einen schönen Strauß Dahlien aus dem Garten geholt, gewissermaßen noch als
einen Gruß von Dir. Dann kam die Bescherung. Helga hat sich riesig gefreut. Sie
hat bekommen:
Von Dir 20.- Mk., von Jörg 1 Blumenstock, ¼ Pfund Gebäck,
1.- Mk., von mir 1 Buch „Janne und Didi“,
1 Bluse, 1 schöne Schachtel für ihre Ketten und Armbänder, 1 Holzkette,
1 Brosche, 1 Malbuch, 1 kl. Puppenbett, Pralinen, von Vater 5.- Mk. und
Pralinen und von Erna 1 Schürze (die ich noch bestickt habe) und ein
Geburtstagstelegramm von Siegfried und Erna. Von Alice kam eine Karte. Von Papa
kam ein Brief und ein Buch „Elbsagen“ an. Der Brief war schon gestern
eingetroffen, während das Paket, in dem noch Zeitungen waren, heute ankam. Papa
teilte mir mit, daß Siegfried bis 13.9 Urlaub hat, und daß Papa am 14.9 zu uns
abfährt, so daß er am 15.9. mittags um 11:55 Uhr hier eintrifft. Papa schreibt
noch, es fiele ihm schon etwas schwer, die lange Reise zu machen in seinem
Alter, außerdem wäre das Geld knapp, aber er wolle doch kommen, schon um sich
mit mir nochmal über seine Zukunft zu unterhalten, wie er es jetzt auch mit
Siegfried getan habe. Ich bin ja gespannt, wie das wird. Gedanken brauchst Du
Dir keine machen, denn ich habe vor, mich gar nicht aufzuregen. Die Kinder
freuen sich ja schon auf den Besuch.
Beim Geburtstag von Jörg waren wir doch in Singen im Cafe.
Damals bat Helga schon, daß wir doch zu ihrem Geburtstag auch in ein Cafe gehen
möchten. Das hatte ich ihr auch versprochen und heute haben wir es nun wahr
gemacht. Wir haben ein Stück Torte und ein Eis gegessen. Da war Helga wieder
befriedigt.
Nun zu Deinen lieben Briefen. Ganz so schnell, wie du
meintest, kommen ja die Briefe von dir hier nicht an. Meist brauchen sie 8 – 10
Tage. Aber laufend habe ich in letzter Zeit Post erhalten. Nur die Päckchen
sind noch nicht alle eingetroffen. Das Päckchen Nr.17 können wir ja
wahrscheinlich als verloren ansehen. Außerdem sind die Päckchen Nr. 27, 28 und
30 noch nicht angekommen, während sie sonst bis 34 schon alle da sind. Na,
vielleicht kommen sie doch noch.
Kuchen oder dergleichen hätte ich Dir jetzt gar nicht viel
schicken können, weil wir ja weniger Mehr bekommen wie früher. Da ich aus
deinen Briefen weiß, dass ihr noch gut versorgt werdet, hatte ich dir jetzt
auch Nichts schicken wollen. Was anderes wär´s, wenn Du nichts hättest, da
würde das, was wir hier haben, auch noch für Dich reichen.
An die Beerensträucher traue ich mich nicht so richtig heran,
damit ich nichts Falsches wegschneide. Vielleicht geht es auch noch so. Bald
kommen ja auch die Brombeeren wieder dran. Davor graut mir, denn die haben
gewuchert, dass es schon nicht mehr schön ist. Manche lassen nur die langen
Ruten an sich stehen und schneiden die Nebentriebe ab. Meinst Du, dass das
richtig ist und soll ich es auch ab machen? Ich glaube auch nicht daran, daß du
bald mal Urlaub bekommst, wenn andere von der Ostfront so lange immer nicht
heim kommen. Ich denke auch gar nicht dran, sonst wird man nur ungeduldig. Spät
nachts klingelte es jetzt mal. Da ist es wie ein Riss durch mich gegangen und
ich meinte im Moment, das seist Du, trotzdem ich mir hinterher gleich sagte,
dass das nicht der Fall sein konnte. Es war dann nur Frau Leimenstoll, der die
Sicherung durchgeschlagen war und die mich fragte, ob ich eine da habe, was ich
dann bestätigen konnte. Aber da habe ich erst wieder gemerkt, wie riesengroß
die Freude sein würde, wenn Du auf Urlaub kämst. Aber wie gesagt, wir wollen
geduldig bleiben.
Es war mir wirklich eine Freude, als Erna hier war. Du
meinst, Du könntest mich nicht aus dem Bau locken, solange Du nicht hier seist.
Na, ganz so schlimm ist es nicht. Ich gehe ja jetzt öfter mal fort, aber im
Sommer ist es am besten, am Sonntag baden zu gehen, denn auf der Bahn oder auf
dem Schiff ist ein derartiges Gedränge, dass es keine Erholung mehr ist. Das
wird erst mal besser, wenn nicht mehr so viele Fremde hier sind, denn an denen
fehlt es bestimmt nicht. Als Erna hier war, konnten wir auch wochentags gehen,
da ging es besser, weil da viele von Konstanz doch im Geschäft waren und nicht
fahren konnten, was am Sonntag natürlich anders ist.
Wie kannst Du auch glauben, dass es mir langweilig sein
sollte, wenn Du mir Deine Erinnerungen an unsere früheren Fahrten schilderst.
Im Gegenteil, da erleb auch ich alles nochmals mit. Es war doch eine schöne
Zeit, als wir noch zusammen sein konnten.
Die Rasierklingen werde ich Dir besorgen. Es kann schon
sein, dass die letzten nicht viel getaugt haben, aber man kann sich jetzt nicht
mehr heraussuchen, was man haben will, wenn man nur überhaupt einige Stücke
bekommt. Im Allgemeinen gibt es nur 3 Stück.
Die verschiedenen Durchschläge, die du mitgeschickt hast,
habe ich noch nicht gelesen, ich wollte erst gleich an Dich schreiben. Die
Bilder hebe ich mit auf.
Diesen Brief will ich gleich mit Flugpost wegschicken, damit
du für den gestrigen Ausfall eines Briefes entschädigt wirst.
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