Montag, 27. November 2017

Brief 453 vom 27./28.11.1942


Mein lieber, guterErnst!                                           Konstanz, 27.11.42

Wie ich Dir im vorhergehenden Brief schrieb, bin ich heute Nachmittag schnell noch in die Stadt gefahren, damit Jörg seine Eintrittskarte für den 6.12. bezahlen kann. Als ich hinkam, war Helga nur noch beim Üben. Jörg war schon fort. Also habe ich die Karte geholt und bin dann zum Stadler gefahren, weil ich sehen wollte, ob Jörg noch dort war, denn er sollte 2 Kartons besorgen. Er war nicht mehr da, aber dafür sah ich, dass es Kerzen gab auf Haushalts- und Seifenkarte der Kinder. Familien ohne Kinder bekommen nach dem 30.11. nur welche, soweit noch vorhanden. Ich erhielt 12 Stück. Das ist mehr, als im vergangenen Jahr, wo es nur 5 Stück gab. Ich habe dann noch meine Karte bei KdF geholt. Es war gut, dass die Karte schon bestellt war, sonst hätte ich keine mehr bekommen. Nachdem ich noch den Brief an Dich weggeschafft hatte, fuhr ich heim und traf auf der Rheinbrücke Jörg. Der war froh, als er gleich aufsitzen konnte. Wir sind dann heimgefahren und haben das Abendbrot gerichtet. Nach 6 Uhr kam dann Helga und wir haben gegessen. Nachher habe ich noch 2 Päckchen für Dich gepackt, die ich morgen früh zur Post bringe. Bei Päckchen 7 steht die Nummer an der Seite, bei Nr.8 habe ich die Nummer zu schreiben vergessen. Nun habe ich keine Zulassungsmarke mehr und kann also nichts mehr schicken. Hoffentlich hast Du ein wenig Freude an den Sachen zu Weihnachten.
In der vergangenen Nacht habe ich wieder von Dir geträumt. Das hat mich so gefreut. Dein Schlafanzug, den Du zuletzt hier angehabt hast, ist ja immer noch mein Schlafgesell. Er liegt neben meinem Kopf. So habe ich immer noch etwas von Dir hier.
Als ich heute Nachmittag so schnell den Brief beendete, habe ich ganz vergessen, Dir die Bilder von Jörg mitzuschicken. Diesmal lege ich sie aber bei.
Heute kam Jörg erst spät von der Schule heim. Er war noch mit bei den Sechstklässlern. Als er heimkam, erzählte er: „Weißt Du eigentlich was von den Widnkind und von den Externsteinen? Bei den Externsteinen sind doch lauter Steinlöcher und Kammern. Da ist auch ein Steinloch, das hat man jetzt herausbekommen, dass dort bei der Sonnenwende im Juli der erst Sonnenstrahl durchfällt. Weißt Du das?“ Ich wusste es und ich wusste auch was von Widnkind. Das musste ich ihm alles erzählen und es hat ihn sehr interessiert. Wie aber doch der kleine Kerl aufgepasst hat. Er und noch einige waren eigentlich nur in die 6.Klase mit hingegangen, weil sie sich noch Zettel für ein neues Heft schreiben mussten, den die Lehrerin unterschreiben musste.
Es ist nun wieder ½ 11 Uhr geworden und ich bin sehr müd. Lass mich deshalb für heute schließen.

                                                                                                            28.11.
Guten Morgen lieber Ernst! Ehe ich in die Stadt fahre, will ich noch den Brief beschließen. Helga ist schon in der Schule, Jörg ist gerade aufgestanden und zieht sich an. Er muss ja erst ¾ 10 Uhr in der Schule sein und ist deshalb länger im Bett geblieben. Da ist es doch so mollig warm drin. Jetzt rechnet er schon fest damit, dass ich ihn gleich auf dem Rad mit zur Schule nehme. Ich werde ihn auch nicht enttäuschen, denn es ist ja ein Weg.
Morgen beginnt die Messe. Du kannst Dir denken, dass sich die Kinder schon darauf freuen. Vielleicht gehen wir morgen gleich mal hin. Es kommt auf´s Wetter an. Wenn es zu kalt ist, hat es keinen Zweck. Sonst erkälten sie sich nur, denn sie wollen doch bestimmt Karussell fahren.
Ich packe auch bald die Päckchen für Erna und Siegfried und Papa und seine Frau. Viel wird es ja nicht, aber es ist schließlich auch Krieg.
Was agst Du eigentlich zu den Franzosen? Ist es nicht eine Gemeinheit, dass man sich nicht einmal auf ein Ehrenwort von ihnen verlassen kann? Es war doch bestimmt ein Entgegenkommen, dass sie Toulon selber verteidigen durften, und wie wäre es uns bald belohnt worden? Man darf niemand trauen, und Großmut ist immer von Übel. Ich habe eine elende Wut auf die Franzosen. Hätten wir dem General Giraud in seiner Gefangenschaft nicht so viel Freiheit gelassen, könnte er jetzt nicht in Afrika sein. Aber so hat man auf seine Gesundheit Rücksichten genommen. Die Kerle sind es gar nicht wert. Die Deutschen sind immer zu anständig. Wir sollten mehr hassen können.
Nun lass mich schließen. Es ist jetzt Zeit zum Fortfahren. Ich grüße und küsse Dich recht herzlich, Deine Annie.

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