Mein lieber, guterErnst! Konstanz, 27.11.42
Wie ich Dir im vorhergehenden Brief schrieb, bin ich heute
Nachmittag schnell noch in die Stadt gefahren, damit Jörg seine Eintrittskarte
für den 6.12. bezahlen kann. Als ich hinkam, war Helga nur noch beim Üben. Jörg
war schon fort. Also habe ich die Karte geholt und bin dann zum Stadler
gefahren, weil ich sehen wollte, ob Jörg noch dort war, denn er sollte 2
Kartons besorgen. Er war nicht mehr da, aber dafür sah ich, dass es Kerzen gab
auf Haushalts- und Seifenkarte der Kinder. Familien ohne Kinder bekommen nach
dem 30.11. nur welche, soweit noch vorhanden. Ich erhielt 12 Stück. Das ist
mehr, als im vergangenen Jahr, wo es nur 5 Stück gab. Ich habe dann noch meine
Karte bei KdF geholt. Es war gut, dass die Karte schon bestellt war, sonst
hätte ich keine mehr bekommen. Nachdem ich noch den Brief an Dich weggeschafft
hatte, fuhr ich heim und traf auf der Rheinbrücke Jörg. Der war froh, als er
gleich aufsitzen konnte. Wir sind dann heimgefahren und haben das Abendbrot
gerichtet. Nach 6 Uhr kam dann Helga und wir haben gegessen. Nachher habe ich
noch 2 Päckchen für Dich gepackt, die ich morgen früh zur Post bringe. Bei
Päckchen 7 steht die Nummer an der Seite, bei Nr.8 habe ich die Nummer zu
schreiben vergessen. Nun habe ich keine Zulassungsmarke mehr und kann also
nichts mehr schicken. Hoffentlich hast Du ein wenig Freude an den Sachen zu
Weihnachten.
In der vergangenen Nacht habe ich wieder von Dir geträumt.
Das hat mich so gefreut. Dein Schlafanzug, den Du zuletzt hier angehabt hast,
ist ja immer noch mein Schlafgesell. Er liegt neben meinem Kopf. So habe ich
immer noch etwas von Dir hier.
Als ich heute Nachmittag so schnell den Brief beendete, habe
ich ganz vergessen, Dir die Bilder von Jörg mitzuschicken. Diesmal lege ich sie
aber bei.
Heute kam Jörg erst spät von der Schule heim. Er war noch
mit bei den Sechstklässlern. Als er heimkam, erzählte er: „Weißt Du eigentlich
was von den Widnkind und von den Externsteinen? Bei den Externsteinen sind doch
lauter Steinlöcher und Kammern. Da ist auch ein Steinloch, das hat man jetzt
herausbekommen, dass dort bei der Sonnenwende im Juli der erst Sonnenstrahl
durchfällt. Weißt Du das?“ Ich wusste es und ich wusste auch was von Widnkind.
Das musste ich ihm alles erzählen und es hat ihn sehr interessiert. Wie aber
doch der kleine Kerl aufgepasst hat. Er und noch einige waren eigentlich nur in
die 6.Klase mit hingegangen, weil sie sich noch Zettel für ein neues Heft
schreiben mussten, den die Lehrerin unterschreiben musste.
Es ist nun wieder ½ 11 Uhr geworden und ich bin sehr müd.
Lass mich deshalb für heute schließen.
28.11.
Guten Morgen lieber Ernst! Ehe ich in die Stadt fahre, will
ich noch den Brief beschließen. Helga ist schon in der Schule, Jörg ist gerade
aufgestanden und zieht sich an. Er muss ja erst ¾ 10 Uhr in der Schule sein und
ist deshalb länger im Bett geblieben. Da ist es doch so mollig warm drin. Jetzt
rechnet er schon fest damit, dass ich ihn gleich auf dem Rad mit zur Schule
nehme. Ich werde ihn auch nicht enttäuschen, denn es ist ja ein Weg.
Morgen beginnt die Messe. Du kannst Dir denken, dass sich
die Kinder schon darauf freuen. Vielleicht gehen wir morgen gleich mal hin. Es
kommt auf´s Wetter an. Wenn es zu kalt ist, hat es keinen Zweck. Sonst erkälten
sie sich nur, denn sie wollen doch bestimmt Karussell fahren.
Ich packe auch bald die Päckchen für Erna und Siegfried und
Papa und seine Frau. Viel wird es ja nicht, aber es ist schließlich auch Krieg.
Was agst Du eigentlich zu den Franzosen? Ist es nicht eine
Gemeinheit, dass man sich nicht einmal auf ein Ehrenwort von ihnen verlassen
kann? Es war doch bestimmt ein Entgegenkommen, dass sie Toulon selber
verteidigen durften, und wie wäre es uns bald belohnt worden? Man darf niemand
trauen, und Großmut ist immer von Übel. Ich habe eine elende Wut auf die
Franzosen. Hätten wir dem General Giraud in seiner Gefangenschaft nicht so viel
Freiheit gelassen, könnte er jetzt nicht in Afrika sein. Aber so hat man auf
seine Gesundheit Rücksichten genommen. Die Kerle sind es gar nicht wert. Die
Deutschen sind immer zu anständig. Wir sollten mehr hassen können.
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