Dienstag, 21. November 2017

Brief 447 vom 19.11.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 19.11.42

Jetzt warte ich schon sehr auf eine Nachricht von Dir. Ich dachte erst, Du hättest vielleicht nochmals von unterwegs geschrieben, aber scheinbar war es doch nicht möglich, denn sonst müsste doch sicher der Brief schon hier sein.
Ich bin nicht ungeduldig, denn Du hast ja schon viel länger warten müssen, aber Sorge mache ich mir, ob Du auch gut dort angekommen bist. Ich werde sehr froh sein, wenn ich darüber durch einen Brief von Dir höre. Wenn mal eine Weile kein Brief kommt, merkt man erst, wie unentbehrlich sie einem geworden sind und wie sie beruhigen. Ich hoffe, dass ich jetzt doch nicht mehr so lange warten muss.
Heute Morgen war ich in der Stadt und habe die Zeitungen für Dich gekauft. Dann habe ich eine Geburtstagskarte an Alice und eine einfach Karte an Papa abgeschickt, damit er sieht, dass sein Paket angekommen ist. Hinterher habe ich für Helga noch eine Regenkappe gekauft, die sie auch beim Baden anziehen kann. Für mich habe ich ein einfaches Tuch gekauft, das ich immer auf dem Kopf tragen kann. Die guten Tücher von Dir sind mir zu schade dafür, denn durch das Knoten leiden sie sehr.
Am Nachmittag waren wir baden. Es war wieder sehr erfrischend. Gegen 4 Uhr waren wir dort. Jörg sagte, ehe er zum Ausziehen ging, es gefiele ihm gar nicht mehr so, seit Du nicht mehr mitgingst. Er wäre so allein. Wir haben uns dann fest gewaschen, und dann ging es ans Schwimmen. Das war wieder schön. Nur Jörg macht keine Fortschritte. Er hat eben nicht die richtige Freude und den Ehrgeiz dazu. Vielleicht kommt das später. Die Haare haben wir uns kurz vor dem Heimgehen auch noch gewaschen. Wir wären noch etwas länger geblieben, aber Jörg fror zu sehr. Da haben wir uns eben fertig gemacht. Um 6 Uhr waren wir daheim. Vorhin haben wir Abendbrot gegessen und nun gehen die Kinder ins Bett. Ich schaffe nachher noch den Brief fort und hinterher will ich noch ein bisschen arbeiten.
Ehe wir zum Baden gingen, trafen wir Frau Nußbaumer. Sie kam gerade vom Begräbnis von dem 18jährigen Sohn der Frau Waldmann. Sie sagte, der Sohn hätte Eiter im Kopf gehabt, daran ist er gestorben. Was es doch für Sachen gibt?
Gestern Abend war Vater da. Er hat angefangen, die Tür zu dem Schränkchen fertig zu machen. Ganz ist es ja noch nicht gelungen, denn das Eisen, mit dem er von dem Holz was abschlagen will, damit er die Eisenbänder einfügt, war ihm nicht scharf genug. Er hat es erst noch zum Schärfen mitgenommen. Aber Aussicht besteht doch, dass die Tür bald fertig wird.
Ich sitze wieder hier in der mollig warmen Küche. Ich denke immer daran, ob bei Euch dort auch richtig geheizt ist, oder ob Du frieren musst. Denn mit der Heizung hatte es bisher doch nicht so geklappt. Hoffentlich hat sich das jetzt gebessert.
Nun will ich wieder schließen. Bleib gesund und sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

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