Mein liebster Ernst! Konstanz, 15.11.42
Ehe ich noch an Siegfried schreibe, will ich erst an Dich
schreiben, damit der Brief noch ½ 5 mit weg kommt. Ich sitze heute schon den
ganzen Nachmittag an der Schreibmaschine und habe bis jetzt die Briefe an Papa,
Erna und Frau Diez fertig gemacht. Die Kleiderkarte schicke ich per
Einschreiben an Frau Diez, denn sie ist immerhin sehr wichtig und nicht zu
ersetzen, wenn sie weg käme.
Den Brief von Papa, den ich heute erhielt, sende ich Dir
mit. Ich weiß nicht, ob er Dir auch einen Durchschlag geschickt hat. Vor seiner
Verheiratung hat er doch noch mal an uns gedacht. Dass die Ehe nicht mehr so
wird, wie die mit Mama, hat er scheinbar schon gemerkt. Aber das glaube ich
auch gern. Denn eine Mama findet er auch nicht wieder. Hoffen wir, dass es ihm
soweit gut geht. Ich wünsche ihm bestimmt nichts Böses.
Gestern Abend ist Vater nicht rauf gekommen. Ich habe
deshalb Jörg heute früh zu ihm runter geschickt mit 2 Hemden, 1 Wirsing und
Rotkraut und dem Brief von Kurt. Als er wieder kam, sagte er, Kurt habe an
Deinen Vater geschrieben, dass er zum Obergefreiten befördert worden sei. Rauf
gekommen sei Vater nicht, weil er so sehr an Händen und Füssen gefroren habe.
Er kommt aber heute Abend. Er hat Jörg auch gesagt, dass er Scharniere für die
Tür des kleinen Schränkchens habe, aus eigenem Vorrat. Er habe in der Stadt
nachgesehen. Aber da habe es nur welche aus Holz für 90 Pfg. gegeben. Das sei
viel zu teuer. Er selber habe nun welche aus Eisen bei sich gefunden und die
hätten früher nur 20 Pfg. gekostet. Das macht ihm nun wieder Freude, dass er
die teuren nicht kaufen braucht.
Unseren Sohn habe ich heute Mittag erst wieder richtig
versohlt. Er wollte wieder seinen Dickkopf durchsetzen und als es nicht ging,
meinte er, er würde auch nicht wieder zum Großvater runter gehen. Da hatte es
aber geschnappt. Heute Nachmittag ist er nun wieder der beste Kerl und folgt
prima. Da es ziemlich kalt draußen ist, sind Helga und Jörg heute auch drin
geblieben und spielen. Helga mit ihren Puppen. Dazu haben wir das
Kindertischchen aus dem Kinderzimmer geholt. Da sitzen nun alle Puppen und
trinken Kaffee. Jörg hat die Zinkwaschwanne oben und lässt seine Schiffle
fahren. Er war ganz glücklich, als ich es ihm erlaubte. So ist es ihnen
wenigstens nicht langweilig.
Wir haben jetzt immer so dunstiges Wetter. Es klärt sich gar
nicht mehr auf. Immer ist der Himmel bedeckt. Nur nachts kommen manchmal die
Sterne durch. Und kalt ist es auch. Wenn auch nicht übermäßig, so friert man
doch an Händen und Füssen. Es ist ja auch Mitte November und gar nicht anders
zu erwarten. Bei Euch wird es wahrscheinlich noch kälter sein. Viel Licht
braucht man jetzt wieder, denn gegen 5 Uhr ist es schon dunkel im Zimmer.
Wenn ich nachher noch an Siegfried geschrieben habe, so
werde ich noch stopfen und Radio hören. So geht der Sonntag auch vorbei. Es ist
nun schon der zweite, an dem Du nicht mehr bei uns bist. Wenn ich nur erst die
Nachricht von Dir habe, das Du gut angekommen bist.
Vielleicht hast Du mir auch einen Luftpostbrief geschrieben.
Da würde ich ja bald Nachricht bekommen. Gell, ich bin schon wieder ungeduldig,
und Du bist schon manchmal mehrere Wochen ohne Nachricht geblieben.
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