Mein liebster Ernst! Konstanz, 17.11.42
Wie ja auch nicht anders möglich, habe ich heute noch keinen
Brief von Dir bekommen. Man weiß, dass die Frist noch zu kurz ist und wartet
doch. So muss ich Dir also vom heutigen Tag erzählen. Viel war ja nicht los. Am
Vormittag habe ich erst in der Wohnung geschafft, dann bin ich in die Stadt
gefahren, um die Steuerkarte für Kurt zu besorgen. Als ich in der Kartenstelle
stand, fiel mir absolut der Geburtstag von Kurt nicht ein. Als ich wieder
draußen, und ein kleines Stück gefahren war, dachte ich daran, dass ich es doch
im Kalender notiert hatte. Also umgekehrt und wieder hin. In 5 Minuten konnte
ich die Karte in Empfang nehmen.
Beim Nähen war ich heute noch nicht. Die sollen nicht
denken, sie brauchen nur schreiben, da springe ich schon. Vielleicht gehe ich
am Donnerstag oder Freitag mal hin.
Am Nachmittag habe ich wieder im Haus geschafft. Die Kinder
sind auch die meiste Zeit drin geblieben, denn es war so richtiges
Matschwetter. Weißt Du, es hat geschneit, aber nichts ist liegen geblieben.
Beim Fahren war es auch scheußlich, wenn einem das nasse Zeug so ins Gesicht
flog. Und kalt wurde es einem gleich. Da ist eine schön warme Küche doch
vorzuziehen.
Jörg brachte mir heute auch 15g Margarinemarken für die
gesammelten Bucheckern. Er war natürlich froh, dass er auch was bringen konnte
und nicht nur Helga. Das Geld bekommen sie morgen noch.
Das wär eigentlich schon alles, was von heute zu berichten
wäre. Nein, halt, Granatsplitter haben wir noch gebacken. Wie haben Dir die
eigentlich geschmeckt, die wir mitgeschickt hatten? Vielleicht bist Du nicht
für sowas?
Ich habe mir schon überlegt, was ich für Leipzig zu
Weihnachten kaufen soll. An Siegfried schicke ich Zigaretten, an Papa sicher
auch. Nun kommt noch Erna. Und Papas Frau? In nächster Zeit gehe ich mal mit
den Kindern in die Stadt und sehe zu, ob ich irgendetwas auftreiben kann. Für
die Kinder habe ich ja soweit alles beisammen und für Dich habe ich erst nur
eine Kleinigkeit. Es ist schwer, wenn du keinen Wunsch hast. Aber vielleicht
freust Du Dich auch über eine kleine Sache.
Ich habe einen Wunsch an Dich. Zeichne mir doch bitte mal
das Zimmer auf, in dem Du wohnst. Ich wüsste so gern, wo Du schläfst.
Um ½ 5 sind die Kinder doch noch eine Weile raus gegangen.
Aber jetzt, ½ 6 Uhr, kommen sie patschnass und frierend heim. Es hatte wieder
fest geschneit. Da mussten sie doch noch draußen bleiben. Aber jetzt fühlen sie
sich hier wieder wohler. Nur hängt alles voller nasser Sachen. Mit Hunger sind
die Kinder auch heim gekommen und ich werde jetzt gleich Abendbrot machen.
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