Mein liebster Ernst! Konstanz, 16.11.42
Wieder hat eine Woche begonnen. Trotzdem es kaum möglich
ist, dass schon ein Brief von Dir kommen kann, warte ich doch immer darauf. Ich
weiß ja nur, dass Du in Berlin gut angekommen warst. Das Weitere sollen mir ja
Deine Briefe berichten. Ich denke immer an Dich, den ganze Tag. Ob Du Dich dort
wohl wieder eingewöhnt hast?
Gestern Abend war Vater hier. Er brachte den Brief von Kurt
mit. Der schreibt, dass er zum Obergefreiten befördert worden sei. Dadurch
bekäme er jetzt Kriegsbesoldung und wir müssten ihm eine Steuerkarte schicken.
Es machte im Monat 75.-Mk. aus. Als seine Heimatadresse habe er unsere
angegeben und wegen evtl. Auskunft über ihn, hat er mich genannt. Ich war nun
heute wegen der Steuerkarte in dem Standort. Die haben sie aber nicht da und ich
muss in den Badischen Hof gehen. Es ist aber nur vormittags auf, sodass ich
morgen nochmal hin fahren werde.
Von Papa kam heute das Zeitungspaket an. Es lagen 6 neue
Kaffeelöffel von Mama bei. Ich habe mich wirklich gefreut. Erwähnen soll ich ja
nichts davon in meinem Brief. Die Frau soll nichts davon wissen. Unsere Kinder
sitzen heute in jeder freien Minute bei den Zeitungen und sehen sie an. Es sind
wieder einige „Koralle“ und „IZ“ dabei, die schicke ich Dir, sobald wir sie
ausgelesen haben.
Ich habe heute die Möhren und Roten Rüben in eine Kiste mit
Erde eingewintert. Da halten sie sich immer ganz gut. Im Übrigen habe ich heute
verschiedene Sachen ausgebessert und gestopft und am Nachmittag war ich in der
Stadt einkaufen. Außerdem habe ich noch bunte Wäsche gewaschen. So ist der Tag
herum gegangen. Heute Abend haben wir uns Bratäpfel gemacht. Die magst Du doch
sicher auch, nicht wahr? Schade, dass ich Dir keine hinschicken kann.
Den Einschreibebrief an Frau Diez und den Brief an Siegfried
habe ich heute abgeschickt. Den Durchschlag schicke ich Dir mit.
Vater hat für Dich auf seine Karte 2 Rasierklingen besorgt.
Er hat sie sich natürlich nicht bezahlen lassen. Im Ganzen habe ich nun 5 Stück
da. Ich schicke sie Dir nicht gleich zusammen. Sie könnten weg kommen. Es wird
ja immer wieder mal was gestohlen, trotzdem es doch so harte Strafen gibt. Der
Mann, der ja wahrscheinlich unser Päckchen auch gestohlen hat, ist jetzt auch
zum Tode verurteilt worden. Es stand in der Samstagszeitung, die ich Dir
geschickt habe. Du siehst also, ich schicke Dir jetzt die Zeitung regelmäßig
und will es auch gewiss nicht mehr vergessen. Du sollst Dich doch nicht über
mich ärgern müssen, Du, mein liebster Schatz. Ich freue mich doch auch, wenn
ich Dir einen Wunsch erfüllen kann, und es sind ja nur ganz kleine Wünsche, die
ich wirklich erfüllen kann jetzt, wo Du fort bist. Aber sehr lieb behalten kann
ich Dich, sehr lieb. Du bist doch mein liebster, bester Mann.
Ich grüße und küsse Dich wieder recht herzlich Deine Annie.
Liebes Vaterle, ich sende dir recht viele Grüße und
1000000000 Küsse von Deinem Jörg.
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