Montag, 27. November 2017

Brief 451 vom 24./25.11.1942


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 24.11.42

Ich bin schon darauf gefasst, dass in nächster Zeit eine Reklamation von Dir kommt: „Schreib mehr, und nicht so fades Zeug.“ Ich sehe ein, dass Du Recht haben würdest und doch kann ich es nicht so einfach ändern. Siehst Du, ich sitze hier daheim und erlebe eigentlich nicht viel, und ich meine immer, es wird für Dich wenig von Interesse sein, ob ich gestopft oder geputzt habe. Das sind eigentlich belanglose Sachen. Und auch von dem, was ich am Tag getan habe, kann ich nicht alles schreiben, denn ein kleines Weihnachtsgeheimnis habe ich ja auch. Heute kann ich Dir zwar sagen, dass ich heute meist gestrickt habe und nun auch der Kopfschützer fertig ist. Du wirst ihn also so schnell, als möglich, haben. Hoffentlich gefällt er Dir. Das würde mich sehr freuen. Ich habe ihn nach einer Vorlage von Sachen für Soldaten gestrickt.
In der vergangenen Nacht hat es zum ersten Mal etwas Schnee gegeben, der liegen geblieben ist. Viel war es ja nicht, aber Jörg ist gleich mit dem Schlitten raus. Helga ist auf dem Weg fest geschusselt und kam dafür mit einem Loch in der Schuhsohle wieder. Da muss ich morgen einen Fleck drauf setzen. Es sind ihre hohen Schuhe. Am Nachmittag hatte Helga wieder Probe von KdF. Sie muss jetzt noch was lernen. Da ist sie sehr stolz. Jörg war den ganzen Nachmittag mit dem Schlitten draußen.
Wir haben uns vorgenommen, morgen in den Film „Fronttheater“ zu gehen. Wenn es die Zeit erlaubt, gehen wir hinterher nochmals mit beim Doktor vorbei.
Den Brief schaffe ich heute nicht mehr fort. Es ist schon spät, und augenblicklich wird im Bodenseegebiet ein ausgerissener Schwerverbrecher gesucht, es stand in der Zeitung. Da habe ich ein bisschen Angst, so allein noch fort zu gehen.

                                                                                                                        25.11.1942
Es ist schon wieder Vormittag. Wir nehmen den Brief am Mittag mit. Ich habe heute 4 Päckchen für Dich fertig gemacht und schicke sie heute fort. In dem Päckchen mit dem gelben Papier, an dem an den Seiten noch ein „K“ steht, ist der Kopfschützer drin. 2 weitere Päckchen bringe ich morgen fort. Ich bin mit dem Verpacken noch nicht ganz fertig geworden, und jetzt ist es bald Zeit, dass ich mich zum Fortgehen anziehe. Wir wollen nachher noch schnell essen, dann gehen wir. Erst auf die Post, dann ins Kino.
Wir hatten heute früh 6 Grad Kälte mit einem kalten Ostwind. Jetzt scheint die Sonne, da ist es schon ein bisschen wärmer geworden. Es ist aber ein richtiger Wintertag, denn auf den Dächern liegt überall noch ein bisschen Schnee. Für Jörg ist zwar der Schnee zu wenig, denn er braucht ihn doch zum Schlittenfahren. Damit ist es ja nichts mehr, denn der Wind hat fats alles weggeleckt.
Nun lass mich schließen. Heute Abend schreibe ich weiter. Recht herzliche Grüße und Küsse sendet Dir Deine Annie.

Mein lieber Ernst!                                                                                       25.11.42

Das ist nun der Kopfschützer. Für starke Kälte ist noch ein Stirnschutz und ein Nasenschutz dabei. Ich habe sie zum anknöpfen gearbeitet, denn immer wirst Du sie nicht brauchen. Mit dem Einknöpfen wirst Du schon zurechtkommen. Ich hoffe, dass Dir alles gefällt. Viele Grüße und Küsse von Deiner Annie.

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