Mittwoch, 15. November 2017

Brief 442 vom 14.11.1942


Mein liebster Ernst!                           Konstanz, 14.11.42

Eine Woche ist es her, seit Du von uns fortgefahren bist. Wir haben heute viel davon gesprochen, schon gleich, als wir aufstanden. Wie schwer ist es doch, wenn wir Dich wieder fort lassen müssen. Es ist jedes Mal so schön, wenn du hier bist. An allem hat man mehr Freude.
Heute ist der Tag ziemlich eintönig vorbei gegangen. Die meiste Zeit habe ich die Wäsche, die ich am vergangenen Sonntag gewaschen habe, gebügelt. Heute, am Vormittag, war ich mal kurz in der Stadt und habe zwei Zeitungspäckchen und ein Päckchen mit Deinem Löffel und Deiner Bürste weggeschickt. Sicher wirst Du sie brauchen können. Ein Paar warme Strümpfe habe ich mir heute noch gekauft und für uns einen kleinen Wandkalender.
Helga und Jörg haben mir einen Adventskalender gemalt. Den soll ich aber auch ganz bestimmt im Advent nehmen. Helga brachte mir aus der Schule 25g Margarinemarken und 10 Pfg. mit, die hat sie für die Bucheckern bekommen, die sie gesammelt hat. Sie kam ganz stolz heim.
An Vater kam ein Luftpostbrief von Kurt. Wahrscheinlich kommt Vater heute Abend rauf. Da kann ich ihm den Brief geben. Der freut sich ja auch immer, wenn er was von Kurt bekommt.
Ich bekam heute eine Drucksache, dass ich doch wieder zum Nähen kommen sollte. Dieser Aufforderung hätte es ja nicht bedurft, ich wäre jetzt sowieso wieder gegangen, denn mit der Gartenarbeit bin ich ja nun fertig.
Die Primeln, die Du mir geschenkt hast, blühen ganz herrlich. Fast alle Knospen sind schon aufgegangen. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich die Blumen sehe. Sind sie doch von Dir.
In Leipzig war nun heute Hochzeit. Hoffentlich sind die Blumen von uns richtig abgegeben worden. Mit den Blumen hattest Du auch eine gute Idee. Da habe ich nicht viel dazu schreiben müssen. Ich hätte auch wirklich nicht gewusst, was ich hätte schreiben sollen. Einen Gruß an die Frau werde ich in meinen Briefen wohl beifügen müssen, sonst ist Papa beleidigt.
Nun warten schon die Kinder, dass sie den Brief noch mit fortbringen dürfen, das ist doch immer was Besonderes, so im Dunkeln zu laufen. Hinterher müssen sie gleich ins Bett. Eigentlich wär´s jetzt schon Zeit, aber sie meinten, morgen könnten sie ja so lange ausschlafen, es wäre doch Sonntag. Na, was will man da machen.
Dich mein lieber, guter Mann, grüße und küsse ich wieder ganz herzlich. Bleib ganz gesund und denke an uns, wie wir auch immer mit viel Liebe an Dich denken, Deine Annie, Deine Helga und Dein Jörg.
Liebes Vaterle, ich schreibe Dir bald. Viele 1 000 000 Küsse Von Deiner Helga.

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