Dienstag, 21. November 2017

Brief 448 vom 20.11.1942


Mein liebster, besterErnst!                                         Konstanz, 20.11.42

Eine ganz große Freude habe ich heute gehabt. Als ich mit den Kindern gegen Abend heim kam, war ein Brief von Dir da. Ich bin ja so froh. Jetzt weiß ich wenigstens, dass Du gesund hingekommen bist. Und so lieb warst Du, dass Du gleich einen Luftpostbrief geschrieben hast. So habe ich Doch nicht so lange warten müssen. Ich danke Dir sehr dafür.
Es ist ja nicht gerade ein schöner Empfang, wenn man sein Zimmer ausgebrannt vorfindet. Ich kann mir ungefähr vorstellen, wie Dir zumute war. Es ist gut, dass wenigstens Deine Sachen gerettet sind. Wie ist eigentlich das Feuer entstanden? Gefreut hat es mich, dass die Kameraden wieder nett zu Dir waren. Dadurch wird Dir doch das Eingewöhnen etwas erleichtert.
Mit Freude habe ich gelesen, dass Dir der Urlaub gefallen hat und dass Du gern bei uns warst. Mir hat es auch so gefallen, nur hatte ich manchmal die Befürchtung, es könnte Dir langweilig gewesen sein, wenn wir am Abend so ruhig zusammengesessen sind. Ich habe mich über mich selbst geärgert, dass ich so gar nichts erzählen konnte, aber siehst Du, ich sitze so Abend für Abend allein hier. Da verlernt man das Unterhalten direkt. Wirklich, mir ist direkt ein Stein vom Herzen gefallen, als ich nun las, dass es Dir hier gefallen hat. Ich habe mir ja Mühe gegeben, Dir alles recht zu machen, damit Du Dich wohl fühlst. Wenn es mir soweit gelungen ist, freue ich mich sehr.
Dass wir noch am letzten Abend Ärger mit Jörg hatten, war ja nicht gerade schön, aber daran wollen wir nicht mehr denken. Er ist eben noch ein Kind, und die sind eben nicht immer brav. Er hat ja seine Strafe bekommen. Er hat auch eingesehen, dass er sie verdient hatte, und nachtragen tut er es bestimmt nicht.
Gern habe ich gelesen, dass Du fühlst, dass Du Dich hier erholt hast. Das ist ja die Hauptsache, dass Du nun Kräfte gesammelt hast, um über den Winter hinweg zu kommen.
Bei Euch ist es also schon ziemlich kalt, ganz so schlimm war es hier noch nicht, und augenblicklich hat die Kälte auch wieder nachgelassen.
Uns geht es genauso, wie Dir. Wir denken oft an den Urlaub zurück. Wie schön war doch auch wieder die Fahrt nach dem Haldenhof. Das war auch ein besonders schöner Tag. Ich möchte Dir für die schönen Tage nochmals ganz fest danken.
Nun will ich Dir vom heutigen Tag erzählen. Am Vormittag habe ich gründlich geputzt und die Fußböden neu gefärbt. Am Nachmittag gingen die Kinder ins Turnen. Ich bin dann später in die Stadt gefahren und habe mich nach Weihnachtsgeschenken umgesehen. Ein Vierecktuch habe ich noch für Helga und für Erna gekauft, dazu noch ein kleines Kästchen für Helga, wo sie ihren Schmuck rein tun soll. Das größere, wo sie ihn bisher drin hatte, soll sie für Taschentücher nehmen, denn die liegen so rum. Es ist ein ganz reizendes Kästchen, rot und blau gekästelt, mit einem Herzchen dran. Ich glaube bestimmt, dass sie sich freut. Spielzeug hat sie ja, und es gibt auch keins zu kaufen. Für Erna habe ich noch einen Glasuntersetzer und ein Holzbrettchen gekauft. Für die Frau von Papa habe ich zwei zarte, bunte Taschentücher gekauft. Eigentlich wollte ich drei Stück haben, aber die bekam ich nicht, und in den anderen Geschäften gab es überhaupt keine. Eigentlich wollte ich für die Frau gar nichts kaufen. Aber das geht doch wohl nicht so gut.
An Erna werde ich morgen ein Päckchen mit Zigaretten schicken. Die soll sie Siegfried zu Weihnachten mit geben, denn ich habe ja keine Zulassungsmarken von ihm.
Übrigens habe ich heute beim Ackermann auch das Buch für Helga bekommen, das ich bestellt habe. Raussuchen kann man sich ja nicht, was man will, sondern man bestellt ein Buch für das entsprechende Alter und bekommt einfach eins. Das Buch für Helga heißt: „Pucki, unser Mütterchen“. Ich lese es in den nächsten Tagen durch.
Nun hätte ich alles soweit da. Ich brauche nun nicht mehr rumzulaufen. Da bin ich sehr froh, denn man findet jetzt so schwer was.
Beim Turnen kann Jörg, wie viele andere, nun doch nicht mit Theater spielen. Es kränkt ihn aber nicht sehr. Die Kinder, die nicht mitspielen, erhalten auf den ersten Reihen Plätze und müssen manche Lieder mitsingen. Ich muss mir, wie Helga und Jörg mir eingeprägt haben, gleich am Montag eine Karte holen, denn am 6.12. spielen sie schon. Denke da an uns. Ich denke, dass Du bis dahin den Brief erhalten hast.
Gleichzeitig mit Deinem Brief erhielt ich heute eine Karte, dass die Schuhe für Helga bewilligt worden sind und dass ich den Bezugsschein abholen soll. Das tue ich gleich morgen.
Lieber Ernst, ich danke Dir nochmals für Deinen lieben Brief, über den ich mich so sehr gefreut habe. Ich grüße und küsse Dich fest und herzlich, Deine Annie.

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