Guten Morgen! 17.5.41
Hast du auch gut geschlafen? Von mir kann
ich es behaupten. Ich bin schon wieder zum fortfahren gerüstet, nachdem ich die
Wohnung in Ordnung gebracht habe. Ich besorge alle Sachen gleich heute Vormittag,
da habe ich am Nachmittag zum backen und evtl. noch für den Garten Zeit. Bis
jetzt ist ganz schönes Wetter. Jörg ist schon wieder beim spielen. Er sagte
heute Morgen, „wenn nur jeden Tag Schulanmeldung wär, so gut hat es mir in der
Schule gefallen.“ Meinst du, das sagt er nach einem Jahr auch noch? Sei Du,
mein lieber Ernst, recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. Heute
Abend fange ich gleich einen neuen Brief für Dich an, ich mache jetzt nur so
schnell Schluß, weil es sonst zu spät wird.
Ich gebe Dir im Geist nochmals viele,
viele Küsse, Deine Annie.
Mein lieber Ernst! Konstanz, 17.5.41
Wie ich es Dir versprochen habe, fange ich
heute Abend wieder mit einem Brief für Dich an.
Vor allen Dingen brauche ich Deinen guten
Rat. Ich schrieb Dir doch gestern, daß mich Frau Bolz gebeten hat, ihr zu klingeln,
wenn ich zum anmelden gehe. Ich weiß nicht, was sie an mir findet, heute bat
sie mich, ob ich nicht heute Abend ein bißchen zu ihr rüber kommen wollte.
Samstag sei der einzige Tag,, wo ihr
Mann nicht da sei, da sei es sehr schön, wenn ich rüber kommen könnte. Ich muß
sagen, ich war ganz überrascht. Ich kann die Frau sonst gut leiden, sie ist
ganz nett und ich muß anerkennen, was sie sich für Mühe mit den Kindern gibt.
Aber es ist mir so etwas ungewohntes, zu jemand zu gehen. Es kann sein, daß
sich die Frau mit den Leuten hier nicht so anfreunden kann, da sie auch von Norddeutschland
ist, von Hamburg. Ich weiß jetzt gar nicht, was ich machen soll. Vor allen
Dingen ist mir wichtig, was Du zu der Sache meinst. Gib mir also Deinen guten
Rat, mein lieber Mann.
Für die Kennkarte habe ich mir heute einen
neuen Zettel zum Ausfüllen geholt. Der Beamte sagte mir, ich sollte das
Formular auch ausgefüllt zurückbringen. Sie hätten 5000 Stück, die abgeholt
worden sind, nicht zurückbekommen. Da habe ich mir heimlich gedacht, da war ich
auch mit dabei.
Am Nachmittag habe ich mit Helga noch die
halbhohen und die Buschbohnen rein getan, nachdem ich gehört und gesehen habe,
daß sie die anderen Leute auch schon drin haben. Nun kommen noch die Gurken
dran.
Bevor die Kinder vorhin ins Bett gingen,
war ganz großer Betrieb bei uns. Da wurde die Stube abgesperrt und drüben wurde
aufgebaut. Ich darf natürlich ja nicht rüber. Beinahe auseinandergerissen haben
sie mich vorhin unter dem Ruf „Du wirst Dich freuen, Du wirst Dich bestimmt
freuen!“ Soeben haben sie mir gesagt, daß sie vor lauter Freude nicht
einschlafen können. Einen mächtigen Stolz haben sie, daß sie von ihrem Geld
etwas kaufen konnten, was ich noch gar nicht weiß. Du solltest nur sehen, wie
vor Freude die Augen glänzen. Es sind doch zwei liebe kleine Lauser.
Du kennst doch auch den Kaiser, der die
Sägemaschine hat. Wir haben unser Holz auch bei ihm schneiden lassen. Der hat
sich an seiner Maschine am Donnerstagabend die ganze rechte Hand abgesägt. Er
ist natürlich gleich ins Krankenhaus gekommen.
Heute habe ich von den Eltern eine kurze
Karte erhalten. Sie wollen in den nächsten Tagen einen Brief schreiben. Sie
werden sicher noch den Muttertag abwarten. Deinen Brief haben sie auch erhalten
und wollen Dir in den nächsten Tagen schreiben.
Mein lieber Ernst! 18.5.
Ich wollte gestern Abend noch weiter schreiben, aber ich bin
direkt dabei eingeschlafen, so müde war ich. Dafür schreibe ich nun jetzt
weiter.
Heute ist nun der große Tag. Am Morgen,
nachdem wir uns angezogen hatten, haben mir die Kinder beschert. Erst haben sie
mir natürlich gratuliert und hinterher haben sie mich in die Stube geführt. Da
hatten sie ihre Geschenke schön aufgebaut. Den Briefhalter, 1/2 Pfund Pralinen,
Apfelsinen und die große Überraschung, 1/4 Pfund Gebäck, das sie ohne Marken
bekommen haben. So mußten sie gar nicht um Marken bei mir fragen und konnten mich
überraschen. Dazu hatten Helga und Jörg etwas gemalt und Helga zwei schöne
Verse mit bunten Stiften geschrieben. Ich habe mich wirklich gefreut. Dann
wurde Dein liebes Päckchen aufgemacht. Das war wirklich eine große Freude. Du
bist doch ein lieber Kerl. Ich danke Dir für die schönen Taschentücher und die
Schokolade recht sehr. Von der Schokolade habe ich schon ein kleines Stück
probiert. Sie schmeckt gut.
Vorhin erhielt ich noch einen Brief von
Dir. Vom 14.5. Ich danke Dir dafür. Wie ich aus Deinen Briefen ersehe,
verstehst Du Dich mit Dr. Thomas doch noch besser als mit Herrn Graser. Woher
kommt das. Kannst Du Dich besser mit ihm unterhalten, oder habt Ihr mehr
gemeinsame Interessen?
Meine Näherei ist in der letzten Woche
wieder etwas liegen geblieben, da ich im Garten mehr zu tun hatte. Ich nähe
aber immer zwischendurch eine Kleinigkeit. Für mich werde ich dieses Jahr
sicher nicht viel nähen, denn ich habe noch genug Kleider zum anziehen. Ich
will das erst einmal abtragen und nähe mir lieber nächstes Jahr etwas Schönes.
Wegen Vaters Kopf habe ich Dir ja schon geschrieben.
Ich werde es ihm sagen, was Du geschrieben hast, wenn es noch einmal schlimmer
werden sollte.
Bei unserem Baum sind jetzt fast alle
Blüten auf. Es ist ein herrliches Bild. Am liebsten möchte man, daß es immer so
bliebe.
Wenn es wegen Schuhen nicht geht, ist es
auch nicht so schlimm. Ich werde sehen, daß ich für die Kinder noch ein Paar
Holzschuhe bekomme. Dann reicht es ihnen schon. Du mußt Dich also nicht
besonders bemühen.
Für das Päckchen danke ich Dir, das ist
wirklich interessant. Wirklich ein großartiger englischer Sieg. Man kann es
eigentlich gar nicht begreifen, daß es noch immer Leute in Frankreich gibt, die
auf einen englischen Sieg hoffen, nachdem sie doch so schmählich in Stich
gelassen wurden. Ich freue mich, daß Ihr dort ausreichend versorgt werdet und
daß Ihr Euch immer noch etwas kaufen könnt. Im anderen Fall hätte ich Dir ja
gern ab und zu etwas geschickt, denn so knapp sind wir ja nicht.
Ab nächsten Monat bekommen wir wöchentlich
100g Fleisch weniger. Das macht mir ja nichts aus, denn in den Sommermonaten
ist mir Obst oder saure Milch oder so etwas, lieber als Fleisch. Ich habe ja
jetzt schon immer Fleischmarken übrig gehabt. Wir bekommen auch ein bißchen
Margarine weniger und dafür mehr Butter. Da ist ja Vater wieder sehr zufrieden.
Wenn man Brotmarken übrig hat, bekommt man dafür Zucker. Das wird mir ja nicht
viel nützen, denn meine Brotmarken brauche ich alle.
Von Kurt kam heute auch ein Brief. Sie
sind jetzt an keinem festen Ort, sondern kommen viel herum. Er bittet mich um
Bilder von uns allen, da er kein einziges bei sich habe. Es könnte noch lange
dauern, bis er uns wieder sieht, denn es sei Urlaubssperre. In nächster Zeit
schickt er auch einige Filme her, die ich ihm entwickeln lassen soll. Er hat
dort keine Gelegenheit dazu. Er hat sich auch vorgenommen, in nächster Zeit an
meine Eltern zu schreiben.
Ich lasse nun noch ein paar Bilder für
Kurt und Nanni machen. Die für Nanni schicke ich an Dich, Du kannst sie dann
weiterleiten. Für Photos habe ich diesen Monat schon ziemlich Geld ausgegeben.
Es muß aber auch einmal sein.
Nun will ich für heute wieder schließen.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. Ich danke Dir noch vielmals
für Dein liebes Päckchen.
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