Dienstag, 10. Mai 2016

Brief 151 vom 8./9.5.1941


Mein lieber Ernst!                                                                             Konstanz, 8.5.41                                          

 Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 2.5. Recht vielen Dank dafür. Ich muß ja sagen, schöne Verhältnisse sind das nicht, wo Du hineingeraten bist. Kannst Du Dir nicht ein anderes Zimmer nehmen, wenn die Leute so unhöflich oder faul (oder wie soll man es nennen?) sind. Da würde ich gerne hinkommen und es Dir gemütlich machen. Ich bin ja auch gespannt, was noch in Deiner Dienststelle wird. Es wäre ja ungerecht wenn Du jetzt nur schreiben solltest, nachdem Du vorher eine ganze Abteilung fast allein gehabt hast. Aber Du wirst sicher nichts ändern können. Ich freue mich, daß Du mich durch Deine Briefe an Deinem Leben dort, soweit dies möglich ist, teilnehmen läßt. Von Deiner Tageseinteilung kann ich mir ja nun auch ein ungefähres Bild machen.
Ich habe heute wieder den ganzen Tag genäht. Aus Deiner Windjacke hat Helga noch einen schönen Mantel bekommen. Ich habe die Jacke gewendet, da ist die Farbe nun überall noch gut erhalten. Vielleicht photografiere ich Helga bei Gelegenheit einmal darin. Nun brauche ich ihr erst zum Winter einen Schulmantel zu kaufen und ich hoffe, daß ich dann einen Lodenmantel erhalte.
Jetzt will ich für Helga noch 2 Kleider, für Jörg 2 Hosen und sonst noch verschiedenes nähen. Fertig werde ich mit dem nähen also noch nicht so bald.
Heute steht in der Zeitung, daß dem Verw. Insp. Emil Eiche das goldene Treudienstzeichen verliehen wurde. Vielleicht interessiert es Dich.
Unser Baum blüht schon bald. Man sieht heute schon überall rosa Knospen. Vielleicht gibt es dieses Jahr doch einige Äpfel. Schön wäre es ja.
Gestern waren wir nun auf der Messe. Jörg hat sich noch einen kleinen Flieger gekauft und Helga 2 kleine Zelluloidbälle. Für das restliche Geld sind sie noch 2 x Karussell gefahren. Es macht eben doch stolz, wenn man mit eigenem Geld einkaufen gehen kann.
Heute werde ich wahrscheinlich die Bilder bekommen, die wir bei Deinem Hiersein photografiert haben. Ich schicke sie Dir morgen mit, d.h. wenn sie etwas geworden sind.
Nun will ich  wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


 Mein lieber Ernst!                                                                      Konstanz, 9.5. 41

Heute versuche ich es noch einmal in Stenografie. Wenn Du die nicht gut lesen kannst, so schreibe mir. Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 5.5., nachdem gestern der vom 2.5. einging. Deinen Sonntagsbrief, von dem Du sprichst, habe ich also noch nicht erhalten. Gerade heute wollte ich Dich fragen, was mit Deinem Zahn geworden ist, da schreibst Du auch schon davon. Ich bin gespannt, wie er dort behandelt wird. Hoffentlich ziehen sie ihn nicht einfach.
Ich glaube, es ist Dir jetzt direkt einmal eine Erholung, wenn Du an Deinen früheren Aufenthaltsort fahren kannst. Da war es doch schöner als dort, wo Du jetzt bist. Wäre es bei der Haltung der Bevölkerung nicht vielleicht besser, Du würdest etwas  mehr in die Nähe Deiner anderen Kameraden ziehen? Man braucht die Gefahr ja nicht fliehen, aber aufsuchen braucht man sie ja auch nicht gerade. 10 Minuten weg ist eben doch eine ziemliche Strecke. Überlege es Dir doch lieber einmal. Deutschfreundlich sind Deine jetzigen Wirtsleute ja scheinbar auch nicht eingestellt. In so einem Grubengebiet sind natürlich auch vielerlei Völker beschäftigt und auch nicht immer gerade die besten. Man kann es fast nicht glauben, daß über eine Strecke von 40 km die Leute so verschieden sind, denn feindselig war es doch in Deinem früheren Standort nicht gerade.
Heute hat mir Elsa Legler wieder geschrieben. Sie teilt mir auch die Adresse von Gerhard für Dich mit. Sie lautet: Gefr. Gerhard Legler, Osteroda über Herzberg a. Elster/ Krgef. ( das nächste Wort kann ich nicht genau lesen) ABkd. (oder AOkd) Sie schreibt, daß er wahrscheinlich nicht mehr lange dort sein wird. Du sollst ihm doch bitte einmal schreiben.
Heute sende ich Dir die Bilder mit. Ich weiß nicht, ob sie Dir gefallen. Bei Dir sieht man keine Haare, dadurch wirkt das Gesicht so verzerrt. Auf dem Film sind die Haare aber noch zu sehen. Ich lasse sowieso noch einmal Abzüge machen, da werde ich gleich sagen, daß er darauf achten soll, daß das Gesicht vollständig auf das Bild kommt. Auf einem Bild ist Jörg in voller Kriegsbemalung mit seiner Motorradbrille.
Als wir am Mittwoch auf die Messe gingen, hielt mich Herr Kuster an und sagte mir, er hat wegen der Sondermarke von Führers Geburtstag noch keinen Bescheid. Er hat sie sich jetzt auf der Messe besorgt, da ist ein Briefmarkenstand. Ich solle sie mir doch auch dort besorgen. Sie waren sogar noch 5 Pfennig billiger als im Katalog angegeben. Ich habe sie nun 2 x besorgt auf einer Karte mit Münchner Sonderstempel.
Vorgestern kam Jörg ganz verstört herein. Da war der Hermann von Bolzens unter ein Auto gekommen. Es ist ihm scheinbar nicht viel passiert, aber Jörg hat doch einen Schreck bekommen. Ich habe ihn dann gleich noch einmal davor gewarnt, auf der Straße zu spielen. Hoffentlich hilft es eine Weile. Man kann ja nicht immer dahinterstehen.
Ich will Dir noch von einer schönen Goldenen Hochzeit erzählen. Ich weiß nicht, ob es Dich interessiert, aber vielleicht mußt Du auch ein wenig darüber lachen, wie ich es auch getan habe. Vor einiger Zeit kamen gedruckte Zettel ins Haus. Da haben Leute aus Ergatshausen zur Feier der Goldenen Hochzeit im „Frieden“ eingeladen. Ich bin natürlich nicht gegangen. Vor ein paar Tagen stand nun in der Zeitung, daß die Feier durch Unpäßlichkeit der Jubelbraut nicht im vorgesehenen Rahmen durchgeführt werden konnte. Inzwischen habe ich nun gehört, wie es zugegangen ist. Am Morgen des Hochzeitstages hat erst einmal die Jubelbraut, die eine Rippe ist, einen Mordskrach mit ihrem Ehemann gemacht. Hinterher hat sie aus Geiz, damit die Gäste nicht mehr zu viel haben, soviel gegessen und getrunken,  daß sie ins Krankenhaus gebracht werden mußte. Als sie sie fortgebracht haben, hat der Ehemann gesagt: „Wenn sie sie doch lieber auf den Friedhof gebracht hätten, das wäre mir viel lieber.“ Das ist doch ein schönes Jubelpaar.
Heute habe ich an Kurt wieder einige Romane weggeschickt. Ich habe nur einen kurzen Gruß dazu geschrieben.
Vater kommt, nachdem sein Kopf wieder gut ist, auch nicht mehr soviel herauf. Da kann ich abends eher wieder schlafen gehen, wenn ich will. Meist gehe ich so um 10 Uhr. Da bin ich bis morgens früh richtig ausgeschlafen. Da kann ich dann auch richtig schaffen. Ich habe mir heute gerade vorgenommen, für Jörg aus seinem grünen Samtmäntelchen, das ihm nicht mehr paßt, eine Jacke zu machen, so eine Art Kletterweste. Sonst hängt der Mantel doch ungenutzt herum. Eine Jacke braucht Jörg aber sowieso. Ich bin doch schon oft um meine Nähmaschine froh gewesen. Was habe ich damit schon alles schaffen können. Es war doch gut, daß wir sie uns mit als Erstes angeschafft haben.
Sei Du, mein lieber Schatz, für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

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