Montag, 2. Mai 2016

Brief 149 vom 1./2./3./4.5.1941


Mein lieber Ernst!                                                                                    1. Mai                                                                    

Nun ist auch dieser Feiertag gleich wieder vorbei. Ich möchte sagen, Gott sei Dank. Mit dem Ausruhen ist es natürlich nichts geworden. Ich hatte so  viel zu stopfen und zu bügeln, Betten abzuziehen, einzuweichen usw., daß es 9 Uhr geworden ist, ehe ich nun zum schreiben komme.
Nachdem es in der vergangenen Nacht etwas geregnet hat, war heute früh wieder heller Sonnenschein. Die Kinder sind natürlich den ganzen Tag im Freien gewesen. Gegen 3 Uhr kam Vater. Er war mit seiner Firma im Waldheim gewesen. Von dort her ist er gleich zu uns gekommen. Er war ein bißchen auf(an)geheitert als er kam, d.h. er war ein bißchen lustig. Er hat sich dann mit mir unterhalten, hat Zeitung gelesen und aufs Radio gehört. Am Abend hat er mit uns Abendbrot gegessen. Jetzt sitzt er am Tisch und ist eingeschlafen. Am Abend hat es etwas mit regnen angefangen. Es ist ein Gewitterregen, es hat aber nur einmal gedonnert. Der Regen selber ist ja für den Garten ganz gut. Ich hatte mir gestern schon eine Frist gesetzt und gedacht, wenn es bis morgen nicht regnet, gieße ich. Dieser Arbeit bin ich nun aber enthoben.
Vaters Kopf heilt nun endgültig. Gestern habe ich den letzten Eiter entfernen können und heute war die Wunde schon halb zugeheilt. Vater ist froh und ich auch.
Jetzt werde ich Vater wecken, damit er heim geht, ich bin nämlich sehr müde. Schlaf auch Du gut, lieber Schatz!

Mein lieber Ernst!                                                                                         2.5.

Von heute ist eigentlich wenig zu berichten. Ich habe den ganzen Tag Wäsche gehabt. Heute gehe ich nun gleich um 9 Uhr schlafen, damit ich mich wieder einmal richtig ausruhe.
Ich weiß nicht, ob es Dich interessiert, daß der Medizinalrat Dr. Leube infolge eines Schlaganfalls gestern gestorben ist. Es steht heute in der Zeitung.
Ich bin froh, wenn diese Woche vorbei ist, da kann ich doch dann bald mit einem Brief von Dir rechnen. Da werde ich dann sicher auch Deine neue Nummer erfahren, so daß ich Dir auch wieder schreiben kann. Ich freue mich ja so, wenn ich erst wieder regelmäßig Briefe von Dir erhalte. Ich habe Dich ja so lieb, Du mein lieber, lieber Ernst!

   Lieber Schatz!                                                                                             3.Mai.

 Eine Woche bist Du nun schon von uns fort. Noch weiß ich ja nicht, wo Du jetzt bist, aber ich hoffe, bald einen Brief von Dir zu bekommen. So sehr lange kann es doch nicht mehr dauern.
Heute war wieder ein sehr eintöniger Tag. Den ganzen Tag hat es geregnet. Dadurch ist es ziemlich kühle geworden. Gegen Abend hat es sich ein bißchen aufgeklärt. Vielleicht wird es doch noch zum Sonntag etwas schöner. Sollte das der Fall sein, gehen wir evtl. mit Vater einmal auf die Messe. Ganz sicher ist es noch nicht.
Am Nachmittag haben wir gebadet. Hinterher habe ich gleich noch die bunte Wäsche von dieser Woche gewaschen, so daß ich nächste Woche nichts mehr damit zu tun habe. Ich hoffe, dafür einmal zum nähen zu kommen. Zurecht gelegt habe ich mir schon alles.
Heute war ein Artikel von der Stachelbeer- Meltau-Bekämpfung in der Zeitung. Ich schicke ihn Dir mit. Was meinst Du dazu? Soll ich das im Bedarfsfalle auch einmal probieren?
Ich freue mich jeden Abend aufs schlafen, denn immer träume ich von Dir. Hoffentlich bleibt es auch weiterhin so. Das ist mein großer Wunsch. So bist Du mir doch wenigstens ein wenig nah, Du, mein liebster Mann.

Mein lieber Ernst!                                                                                              4. Mai

Heute habe ich eine Sonntagsüberraschung erlebt. Vorhin kam Dein 2. Brief vom 28.4. Ich habe mich sehr gefreut. Wie ich daraus ersehe, bist Du ja überall gut aufgenommen worden. Vergessen haben sie Dich also nicht. Dr. Thomas muß Dich schon gern haben, wenn er extra hingefahren kommt. Schade ist es ja eigentlich, wenn sich Graser und Dr. Thomas auseinander gelebt haben. Aber es wird wahrscheinlich so sein, daß Du gewissermaßen immer zwischen ihnen vermittelt hast und da Du gefehlt hast, ist es auseinander gegangen.
Ich bin ja gespannt, ob Du an den angegebenen Ort, den ich mir gleich auf der Karte gesucht habe, kommst. Darüber werde ich ja  nun auch bald Bescheid haben. Angst, daß Du nichts zu tun bekämst, brauchst Du also nicht haben, wenn sich mehrere Stellen um Dich bemühen. Die Hauptsache ist, daß Du Dich an Deiner neuen Arbeitsstelle auch wieder einlebst.
Einen Abdruck der Fußgröße schicke ich mit. Die Nummer ist bei Jörg 34, bei Helga 36 1/2, bei mir 40. Das ist die Nummer der neuen Schuhe bei den Kindern, die sind also noch gut groß.
Ich freue mich sehr, daß Du mir einen so langen Brief geschrieben hast, aus dem ich Deinen ersten Tag dort miterleben konnte. So bist Du doch nicht ganz von mir getrennt. Die Kinder waren auch voll Freude, als ich ihnen sagte, daß ein Brief von Dir da sei. Ich habe jedem einen festen Kuß von Dir gegeben.
Nachdem es gestern geregnet hat ist heute das schönste Wetter. Klarblauer Himmel. Dafür hat es heute Nacht gefroren, die Wäsche war steif wie ein Brett. Nachdem die Sonne scheint, erwärmt es sich ja wieder. Wir gehen nun heute auf die Messe und vorher in die Wochenschau. Nach dem Kino wollen wir uns mit Vater treffen. Ich bin nur gespannt, ob er tatsächlich da ist.
Ich muß mich wieder vorsehen, denn ich habe ziemliche Nierenschmerzen. Wahrscheinlich habe ich mir beim Waschen wieder etwas geholt. Wenn es heute draußen warm ist geht es ja.
Um 6 will ich mir die Erklärung der Reichsregierung anhören. Da werden wir schon wieder zuhause sein.
Helga sagte mir heute, Paula hätte gesagt, sicher würde Tante Nanni bald einmal kommen. Sie hat sich also wahrscheinlich vorgenommen, Konstanz einmal aufzusuchen. - abends. 
Nun will ich Dir noch vom Nachmittag erzählen. Nachdem wir im Kino waren, wollten wir uns mit Vater treffen. Er war natürlich nicht da. Wir haben eine Weile gewartet und sind dann allein auf die Messe. Diesmal war sie sehr kurz. An der Tägermoos Straße fing sie an. Da haben sich nun alle Leute auf dem Stückchen Platz gedrängt. Wir sind bald aufs Döbele. Da sind die Kinder öfter Karussell gefahren, öfter als früher, wo wir noch ganz knapp mit dem Geld waren. Ein Eis haben wir auch gegessen, so sahniges, das nicht so sehr kalt ist. Dann haben sich die Kinder noch ein Messegeschenk gekauft. Jörg und alle seine Spielkameraden hatten ausgemacht, daß sich jeder so eine Schutzbrille, wie sie die Motorradfahrer haben, kaufen will. Sie bauen sich im Hof nämlich immer Flieger und dazu brauchen sie die Brille. Nun hat Jörg sich also eine gekauft, dazu noch eine Trompete. Helga hat sich eine Sonnenbrille und eine Flöte gekauft. Als wir heimkamen, ist Jörg gleich noch auf die Straße gegangen. Da waren auch die anderen Buben schon da, jeder mit einer Brille. Da war die Freude groß.
Ich habe auch etwas eingekauft, zwei Reste, die ich zum Verlängern von Helga`s Kleidern brauche. Es ist gerade die passende Farbe.
Am Abend habe ich mir die Reichstagssitzung angehört. Auf die französischen Sender ist sie ja auch übertragen worden und wahrscheinlich hast Du auch Radio gehört.
Am Abend kam Vater rauf. Vorhin, 3/4 10, ist er wieder fort, nachdem ich gesagt habe, daß ich schlafen gehen will, da ich immer noch Nierenschmerzen habe. Das will ich nun auch tun und wünsche auch Dir eine recht gute Nacht.

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