Mein lieber Ernst! 28.4.
Heute komme ich erst am Abend dazu, Dir zu
schreiben. Ich war nämlich seit heute morgen den ganzen Tag im Garten. Das
ganze Stück für die Kartoffeln habe ich umgegraben. Nach dem Stück kommen doch
Erdbeeren. Da habe ich die ersten 2 Reihen mit umgegraben, da fast keine Stücke
mehr da waren. Die noch da waren, habe ich in die nächsten Reihen gesetzt, denn
da fehlten auch welche. So sind wenigstens 4 Reihen vollständig. An den Platz
setze ich jetzt die Dahlien. Da sind die auch untergebracht. Den Mist habe ich
jetzt vollständig verbraucht. Heute Morgen habe ich Tabaksasche gegen die
Erdflöhe gestreut. Es war so, wie Du sagtest, noch etwas feucht aber kein
Regen. Mal sehen, ob sich die Pflanzen noch entwickeln. Morgen Vormittag will
ich einen Teil Kartoffeln rein tun, ganz fertig werde ich wahrscheinlich nicht
werden, weil ich am Nachmittag zum Begräbnis von Brigitte Kuster gehen will.
Ich habe Blumen für 3,- bestellt. Es gibt von 2,- an. Hoffentlich sehen sie gut
aus. Ich habe heute Herrn Steinmehl gefragt, was seine Frau hat. Es ist ein
Nervenzusammenbruch. Ich weiß nicht, ob ich sie einmal besuchen soll. Sie liegt
in der ehemaligen Pension Wiehler(jüdisch), die enteignet worden ist. Scheinbar
gehört sie jetzt zum Krankenhaus.
Heute hast Du ja dort auch wieder Deinen
ersten Tag hinter Dir. Vielleicht weißt Du auch schon, wo Du hinkommst. Ich
wünschte, ich hätte schon wieder einen Brief von Dir. Aber das wird noch eine
Weile dauern und es ist gut, daß ich im Garten ziemlich zu tun habe, da
vergehen doch wenigstens die Tage. Ich hoffen, daß noch eine Weile schönes
Wetter bleibt, damit ich weiter schaffen kann.
Nun schließe ich für heute wieder und
grüße Dich im Geist recht herzlich, mein liebster Ernst!
Lieber Ernst! 29.4.
Wieder ist ein Tag vorbei. Ich will Dir
auch heute schildern, wie er verlaufen ist. Am Morgen bin ich gleich in den
Garten. Ich habe bis Mittag alle Kartoffeln rein getan. Damit wäre ich fertig.
Am Nachmittag bin ich zum Begräbnis
gegangen. Ich habe mir das Kind noch angesehen. Es sah sehr entstellt aus, man
hat es nicht wieder erkannt. Man hat es ihm angesehen, daß es sehr gelitten
hat. 8 Tage vor seinen Tode dachte man, es würde besser werden, da es zu
trinken und essen verlangt hat. Nachdem es etwas getrunken hat, wollte es noch
etwas zu sich nehmen, plötzlich hat es nicht mehr schlucken können. 8 Tage hat
es dann so gelegen, ohne daß es essen oder trinken konnte. Auch die Augen waren
starr. Aber hören konnte es noch alles. Das Kind muß schwer gelitten haben.
Durch einen Gehirnschlag ist alles
gelähmt worden.
Gestern machte Herr Zahn bei sich die
Bohnenstangen rein. Ich fragte ihn, ob ich seine Eisenstange einmal bekommen
könnte. Da sagte er: „Die Bohnenstangen mache ich ihnen rein, das macht mir keine
Mühe.“ Ich habe erst versucht, ihn davon abzubringen, aber es war umsonst.
Heute Nachmittag hat er die Arbeit nun gemacht. Vorläufig habe ich nur noch die
Dahlien zu setzen und noch verschiedenes zu säen. Vorläufig wär die Hauptarbeit
vorbei. Vielleicht komme ich jetzt noch ein bißchen zum nähen.
Wenn morgen schönes Wetter ist, wollen wir
nochmals nach Hegne. Vielleicht gibt es noch Tee.
Nun will ich schlafen gehen. Heute ist
Vater einmal nicht da, da kann ich schon etwas zeitiger zu Bett gehen. Ich denke
immer, wo Du wohl jetzt sein wirst. Ich wäre so froh, wenn die Wartezeit auf
einen Brief von Dir schon vorbei wär, Du mein lieber, lieber Ernst. Schlaf nun
heute wieder gut und wach gesund wieder auf.
Mein lieber Ernst! 30.4.
Heute hatte ich eine große Freude. Dein
erster Brief ist angekommen. Das war eine herrliche Überraschung. Gerade, als
wir zur Bahn gehen wollten, kam noch der Briefträger. Ich habe den Brief
mitgenommen und im Zug gelesen. Das ist ja fein, daß Du die Bahnfahrt um fast 5
Stunden abkürzen konntest. Du bist ja auch so noch lange genug unterwegs
gewesen. Eigentlich bin ich da in der ersten Nacht umsonst bis 1/4 2 Uhr munter
geblieben, da Du ja schon 1/2 12 Uhr weiterfahren konntest. Aber das reut mich
kein bißchen, konnte ich so doch noch länger mit meinen Gedanken bei Dir sein.
Ich habe den Abschied eigentlich immer
noch nicht überwunden. Ich kann es immer noch nicht begreifen, daß ich Dich
jetzt solange nicht sehen soll. Heute bin ich eigentlich zum ersten Male wieder
fröhlich gewesen, nachdem ich Deinen Brief bekommen habe. Hoffentlich gehen die
Wochen schnell vorbei, damit wir uns bald wiedersehen.
Wir sind heute Vormittag nach Hegne
gefahren. Wir haben dann unsere Wiesen aufgesucht und auch viel Schlüsselblumen
gefunden. Es hätte noch mehr gehabt, aber wir haben nicht mehr suchen können,
so kaputt waren wir. Erst haben die Kinder nicht mehr können und ich habe
allein weiter gesucht. Aber dann war auch meine Kraft zu Ende. Wir haben dann
im Wald an einer sonnigen Stelle auf einem Baumstamm gegessen. Ich konnte aber
auch hinterher nicht mehr weiter. Da mehrere Stämme zusammen lagen, habe ich
Jacken untergelegt und habe mich zwischen 2 Stämme, in die Kuhle, gelegt und
ausgeruht. Die Kinder waren schon wieder munter und haben gespielt. Nachdem ich mich ca. 3/4 Stunden ausgeruht
hatte, ging´s weiter. Wir sind dann heim gelaufen. 1/4 4 Uhr waren wir wieder
da. Heute Nachmittag fing es dann auch an zu regnen. Da war ich froh, daß wir
heute gegangen sind.
Morgen ruhe ich mich einmal aus, d.h. ich
stopfe und bügle noch etwas. Das strengt aber nicht so an. Übermorgen habe ich
Wäsche, da will ich wieder bei Kräften sein.
Vorhin 1/4 10 Uhr, ist Vater noch gekommen.
Ich habe mich erst geärgert, daß er noch so spät kommt. Lange mache ich heute
aber nicht, denn ich bin müd.
1/2 11 Uhr ist es noch geworden, ehe er
gegangen ist. Er konnte sich von der Zeitung nicht rennen. Er hat mich damit
getröstet, daß er sagte, morgen brauche ich ja nicht so zeitig aufstehen, da
Helga nicht zur Schule muß.
Nun gehe ich aber schlafen. Ich freue mich
schon darauf. Schlaf auch Du gut, mein lieber, lieber Schatz. Wo wirst du jetzt
Deine Unterkunft haben?
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