Sonntag, 30. Juni 2019

Brief 754 vom 26.06.1944


Mein liebster Ernst  !                                                                    Konstanz, 26.6.44   

Daran, daß ich mit der Hand schreibe, siehst Du schon, daß mein Daumen wieder besser geworden ist. Ich kann wenigstens wieder ein bißchen zufassen. Darum konnte ich auch am Vormittag im Garten schaffen. Die Hauptarbeit ist ja jetzt immer das Unkraut rauszureißen. Das habe ich heute wieder redlich getan. Nun sieht der Garten  drüben wieder für ein paar Tage sauber aus. Im kleinen Garten habe ich noch das eine
Erdbeerbeet ausgeputzt. Dann hatte ich für heute genug.  5 Pfund Erdbeeren haben wir heute wieder geerntet. Im ganzen hatten wir bisher 40 Pfund.  Die Erdbeeren von heute habe ich zusammen mit 3 Gläsern Rhabarber sterilisiert. Sie stehen gerade noch im Apparat. In einigen Minuten sind sie fertig.  Die Johannisbeeren sind fast alle reif. Ich lasse sie aber noch eine ganze Weile dran. Sie werden dann süßer und die vereinzelten weißen Beeren werden noch rot. Die Brombeeren fangen an zu blühen. Im Garten hat mich heute ein Biest gestochen, aber wie. Eine handgroße Stelle ist dich und rot geworden. Die Stichstelle ist ein blauroter Fleck.  Ich möchte nur wissen, was das für ein Viech war. Am Schenkel bin ich gestochen worden und der rote Fleck geht bis in die Kniekehle.  Jörg war am Nachmittag in der Schule, er hat um 5 Uhr eine Weile nachsitzen müssen, da er geredet haben soll. was er aber ganz energisch bestreitet. Helga war zusammen mit Ingrid in Egg, Katzenschwanz für die Schule sammeln. Dabei sind sie noch in ein Gewitter gekommen.  Jörg hat doch so viele aus Modellierbogen geklebte Häuser. Ich hatte ihm schon einmal gesagt, er soll doch einige verschenken. Heute hat er 2 Sachen für 1,15 an Richard verkauft. Da hat er doch ein ganz schönes Geschäft gemacht.  Vorhin kam Vater und brachte 2 große Stück Apfelkuchen mit, die wir in 3 Teile geteilt haben. Er hat sehr gut geschmeckt.  Wie ich im Wehrmachtsbericht gelesen habe, ist Euch der Kampf ja ziemlich nahe gerückt.  Hoffentlich mußt Du nicht selbst bald daran teilnehmen.  Laß mich nun schließen mit vielen guten Wünschen und vielen Grüßen und Küssen für Dich, mein liebster Mann, von Deiner Annie.

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