Mein liebster Ernst !
Konstanz, 22.5.44
vorhin erhielt ich Deine lieben Briefe vom 14. und 15. mit
Deiner neuen Feldpostnummer.
Ich habe mich nun gleich hergesetzt um Dir zu schreiben,
denn Du mußt ja sowieso schon lange auf Post warten. Außer den obengenannten
Briefen erhielt ich noch die vom 10., 11. und 13., die Du auf der Fahrt
geschrieben hast. Für alle danke ich Dir recht herzlich. Du weißt ja, wie ich
mich immer freue, wenn ich an Deinen Erlebnissen wenigstens brieflich
teilnehmen kann. Daß Du von jetzt an nicht mehr so oft schreiben kannst, das
hatte ich mir schon gedacht. Ich werde es natürlich halten wie bisher.
Wenn ich einmal nichts zu schreiben weiß, denn mir werden
ja manchmal Deine Anregungen durch die Briefe schon fehlen und hier geht alles
seinen Gang, so werde ich einmal einen Tag aussetzen. Aber sonst werde ich
regelmäßig schreiben. Heute will ich
Dir erst mal die wichtigsten Sachen berichten, Einzelheiten schreibe ich so
nach und nach. Gesund sind wir heimgekommen. Wir konnten auch sitzen und die Kinder
auch recht gut schlafen. Daheim fanden wir alles richtig vor. In der Schule hat
auch niemand etwas gesagt. Eine traurige Nachricht hörten wir aber gleich bei
der Heimkehr. Der Emil Leimenstoll muß sterben. Er ging doch nach Überlingen
zur Operation. Als man ihn am Rücken aufschnitt und das angebliche Gewächs
herausholten wollte, welches wahrscheinlich auf den Nerv drückte, sah man, daß
es Krebs ist und das ganze Rückgrat bis runter schon durchsetzt ist. Der
Professor hat gesagt, es bestünde keine Hoffnung auf Genesung. Vor 2 Jahren
hätten sie ihn noch retten können. Und da ist doch Frau L. schon herumgelaufen
und kein Arzt hat es festgestellt. Emil selbst hat große Hoffnung und die
Eltern haben jetzt nur den einen Wunsch, daß er stirbt, ehe er weiß, daß er
sterben muß. Aber das Herz ist eben stark, dadurch muß er sich so quälen. Die Briefmarken habe ich an den O.Gefreiten
Hirscher geschickt. 2 Briefe sind aber schon zurückgekommen, denn die FP.Nr. 71
297, die Du mir angegeben hast, stimmt nicht. Es ist drauf gestempelt „falsche
Feldpostnummer“. Vielleicht gibst Du mir die richtige noch an, dann schicke ich
die Briefe gleich wieder weg.
Vater ist jetzt dabei, den Verschlag unten zu bauen. Er
wird sehr ordentlich. Die Vorder und die Seitenwand steht schon, die Decke zum
Teil. Die muß er noch fertigmachen, dann kommt die Tür dran. Ich werde
allerhand unterstellen können. Ich helfe immer ein wenig mit, da schafft Vater
lieber. Ich kann ihm immer etwas zureichen, Nägel, Zange usw. und Vater kann
sich mit mir unterhalten. Paula hat vorige Woche silberne Hochzeit gehabt. Ich
habe es nachträglich in der Zeitung gelesen. Ich hätte auch sonst nichts
geschickt, denn sie zeigt sich immer sehr wenig von einer guten Seite. Vater
sagte schon, das gibt bald mal wieder Krach. Auf ihre Frage hatte Vater zu
Paula gesagt, daß es möglich sein kann, daß Ihr zu Res.Off. ausgebildet
würdet. Da meinte sie, da bekämst Du
noch einen größeren Dünkel. Vater hat ihr aber gesagt, Du hättest bisher keinen
gehabt und würdest auch keinen bekommen. Auch sonst hat sie schon gehässige
Äußerungen gemacht. Es hat ja keinen Wert, sich darüber zu ärgern. Resi hat von Fritz wieder Nachricht
bekommen. Gestern war sie auch mal da und hat sich nach unserer Reise nach
Leipzig erkundigt. Gleichzeitig fragte sie, ob wir nicht zu Pfingsten zusammen
fortgehen wollte. Wir werden nochmals darüber reden. Jörg ist ja sowieso nicht da, er geht von Samstag mittag bis
Dienstag früh auf Fahrt. Das soll
scheinbar auch gleich die Pimpfenprobe sein. Danach dürfen sie Schulterriemen
und Fahrtenmesser tragen. Im Garten
habe ich auch das wichtigste geschafft.
Die Stangen und Buschbohnen sind drin. Umgegraben habe ich alles noch fertig.
Gurkenkerne sind zum großen Teil drin. Die restlichen habe ich mir am Samstag
erst noch gekauft. 20 Tomatensetzlinge
habe noch ausgepflanzt. Das ist mehr als sonst, aber sie sollen auch teilweise
Brot ersetzen und dann will ich auch welche zu Soßen usw. einmachen. Unser Apfelbaum hat wunderbar geblüht. Wir
konnten es gerade noch sehen, als wir heim kamen. Kurz darauf fielen die Blüten
ab. Hoffentlich gibt es auch richtig Obst, denn soviel haben die Bienen bei der
kalten Witterung nicht fliegen können. Die Kartoffeln kamen bei unserer
Heimkehr auch schon heraus. Es wächst alles ganz gut. Nur sollte es etwas
wärmer werden. Es regnet öfter und dann ist es kühl. Der Gauggel kommt dauernd nach Zigaretten. Ich habe aber gesagt,
Du hättest von Dir keine schicken können und ich hätte meine an meinen Vater
geschickt. Ich bin doch nicht Dauerversorger für den G. Helga hat nicht mehr geimpft werden können.
Es galt so.
Deinen großen Kaufladen haben wir uns hergerichtet. Wir haben
das Oberteil abgeschraubt und umgekehrt aufgesetzt, so daß also die Fenster
vorn sind. Oben habe ich eine Platte, also ein Brett drauf getan. Eigentlich
sind es 2. Eins geht hochzuklappen, so daß man von vorn und von oben in den
Schrank fassen kann, der jetzt Bücher enthält. Auf der Rückseite haben wir
einstweilen Packpapier festgemacht. Oben an dem Brett ist ein Griff, so daß man
es gut hochklappen kann. Hinten am Brett habe ich Bänder hingenagelt.
(so heißen sie doch)? So ist es netter Bücherschrank geworden. Nun schließe ich heute. Morgen berichte ich
Dir noch mehr. Bleib immer gesund und sei ganz herzlich gegrüßt und geküßt von
Deiner Annie.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen