Lieber Ernst !
Konstanz, 22.6.44
Gestern habe ich
einmal nicht geschrieben. Du nimmst mir das bitte nicht übel. Am Vormittag war
ich in der Stadt und habe verschiedenes besorgt, am Nachmittag habe ich erst
genäht, dann habe ich Erdbeeren geholt. Es hatte ziemlich, ca. 4 Pfund. Da
dachte ich, das beste ist, ich koch etwas Marmelade davon. Ich habe noch etwas
Rhabarber dazu geholt und beides zusammen gekocht. Man braucht da nicht so viel
Zucker. Nach dem kochen habe ich dann Abendbrot zurecht gemacht und wir haben
gegessen. Ich schrieb Dir ja schon, daß es mir gar nicht recht ist, daß ich Dir
gar nichts schicken kann. Es hat mir nun doch keine Ruhe gelassen und ich habe
gestern Abend noch ein bißchen Kleingebäck gebacken. Leider gehen in ein
Päckchen nur 6 kleine Stück rein. Ich konnte nur 2 Päckchen schicken, da ich
weiter keine Marken habe. Bekommt Ihr eigentlich gar keine? Es ist also
wirklich nur eine Kleinigkeit, die ich Dir schicken kann. Ich hoffe aber doch,
daß sie Dir eine kleine Freude macht.
Heute bekam ich auch wieder 2 Briefe von Dir. Nr. 20 vom
14.6. und Nr. 21. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Du bist ja ein tüchtiger Wäsche geworden. Meine Hochachtung. Wie
wär’s, wenn Du später immer unsere Wäsche waschen würdest? Würde Dich das nicht
locken?
Ich habe mich erst über die Rebholzens gewundert. Aber
dann dachte ich, öffentlich haben wir nichts miteinander gehabt und sonst kann
ich ihnen nichts beweisen. Da lasse ich mir nichts merken und verkaufe eben den
Rhabarber. Sonst rede ich ja mit den
Leuten nicht. Ob Jörg nun auf längere
Fahrt geht, wann und wie lange, das wissen wir jetzt noch nicht. Sollte etwas gesagt
werden, dann werde ich mich nach dem richten, was Du gesagt hast. _ Ich habe
die Kinder beim baden auch ermahnt, nicht zu weit hinaus zu schwimmen. Ich
denke, daß sie folgen werden, denn sie meinten, so weit raus schwimmen, sei
ihnen ein bißchen unheimlich. Die
Unbeständigkeit des Wetters herrscht auch bei uns. Kaum scheint ein bißchen die
Sonne, so ist auch schon wieder Regen da. Richtig schönes Wetter haben wir bis
jetzt auch fast nicht gehabt.
Das konnten wir uns ja denken, daß die Stadt abschlägig
antwortet. Anders wäre es ja direkt eine Überraschung gewesen. In letzter Zeit habe ich ja schon öfter Nachtschicht
gemacht. Wenn ich aber die Hauptarbeit wieder hinter mir habe, wird es schon
besser werden. Aber ich komme sonst nicht nach mit allem. Außerdem ist Vater
öfter hier und geht dann auch nicht vor 11 Uhr. Ich kann ihn doch nicht rausschmeißen.
Ich habe jetzt immer ganz gern mit der Hand geschrieben. Wenn
es mir zu viel wird, schreibe ich auch wieder mal mit der Maschine. Von Papa habe ich auch Bilder erhalten. Ich
schick sie Dir heute mit. Auf Zweien sehe ich scheußlich aus. Aber ein Andenken
sind sie immerhin. Von den Photoplatten
werde ich also die weniger wichtigen wegtun. Die neueren Filme behalte ich
sowieso. Ich fahre jetzt mit Jörg in
die Stadt.
Erstens wollen wir die Päckchen und den Brief fortbringen
und außerdem wollen wir sehen, ob wir ein Paar lange Hosen zur Uniform, sogen.
Überfallhosen, bekommen.
Die Erdbeeren von heute haben wir Vater runtergebracht. Er
freut sich auch darüber. Zu kaufen gibt es doch keine. 4 Eier pro Person hat es gestern auch wieder
gegeben. Da lege ich wieder welche für den Winter ein. _ Unser Radio ist auch
wieder mal futsch. Jetzt ist das eine Steckerloch im Widerstand ausgebrochen.
Ich will es wieder reparieren, wenn es klappt. Ob es wieder geht, kann ich
jetzt noch nicht sagen. Lange wird es auf jeden Fall nicht mehr halten. Leider,
den gerade jetzt ist man immer auf Nachrichten gespannt. Aber wir werden uns
auch daran gewöhnen. Heute Morgen gab
es wieder Brotsuppe. Sie schmeckt mit jedem Mal besser. Wegen den Kindern
könnte ich sie jeden Tag kochen. Einen Brotsack haben wir jetzt leer.
Jetzt haben wir noch den großen
da. Laß mich nun schließen. Bleib immer
gesund und sei recht fest gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. Von Papa erhielt ich heute Briefmarken für
Dich.
Mein liebster Ernst
! Konstanz, 26.6.44 8
Daran, daß ich mit der Hand schreibe, siehst Du schon, daß
mein Daumen wieder besser geworden ist. Ich kann wenigstens wieder ein bißchen
zufassen. Darum konnte ich auch am Vormittag im Garten schaffen. Die
Hauptarbeit ist ja jetzt immer das Unkraut rauszureißen. Das habe ich heute
wieder redlich getan. Nun sieht der Garten
drüben wieder für ein paar Tage sauber aus. Im kleinen Garten habe ich
noch das eine
Erdbeerbeet
ausgeputzt. Dann hatte ich für heute genug.
5 Pfund Erdbeeren haben wir heute wieder geerntet. Im ganzen hatten wir
bisher 40 Pfund. Die Erdbeeren von
heute habe ich zusammen mit 3 Gläsern Rhabarber sterilisiert. Sie stehen gerade
noch im Apparat. In einigen Minuten sind sie fertig. Die Johannisbeeren sind fast alle reif. Ich lasse sie aber noch
eine ganze Weile dran. Sie werden dann süßer und die vereinzelten weißen Beeren
werden noch rot. Die Brombeeren fangen an zu blühen. Im Garten hat mich heute
ein Biest gestochen, aber wie. Eine handgroße Stelle ist dich und rot geworden.
Die Stichstelle ist ein blauroter Fleck.
Ich möchte nur wissen, was das für ein Viech war. Am Schenkel bin ich
gestochen worden und der rote Fleck geht bis in die Kniekehle. Jörg war am Nachmittag in der Schule, er hat
um 5 Uhr eine Weile nachsitzen müssen, da er geredet haben soll. was er aber
ganz energisch bestreitet. Helga war zusammen mit Ingrid in Egg, Katzenschwanz
für die Schule sammeln. Dabei sind sie noch in ein Gewitter gekommen. Jörg hat doch so viele aus Modellierbogen
geklebte Häuser. Ich hatte ihm schon einmal gesagt, er soll doch einige
verschenken. Heute hat er 2 Sachen für 1,15 an Richard verkauft. Da hat er doch
ein ganz schönes Geschäft gemacht.
Vorhin kam Vater und brachte 2 große Stück Apfelkuchen mit, die wir in 3
Teile geteilt haben. Er hat sehr gut geschmeckt. Wie ich im Wehrmachtsbericht gelesen habe, ist Euch der Kampf ja
ziemlich nahe gerückt. Hoffentlich mußt
Du nicht selbst bald daran teilnehmen.
Laß mich nun schließen mit vielen guten Wünschen und vielen Grüßen und
Küssen für Dich, mein liebster Mann, von Deiner Annie.
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