Mein lieber Ernst ! Konstanz, 16.6.44
Das Schönste ist wohl heute, daß die Vergeltung begonnen
hat. Jedes Mitleid ist durch die
unbarmherzigen Fliegerangriffe unserer Feinde ausgelöscht und es beherrscht uns
alle nur noch der Gedanke der Rache. Unser Volk hat ja bisher so viel bluten
müssen.
Wenn man weiß, es ist alles vergolten, so (unleserlich) leichter ertragen. Unsere Feinde werden jetzt uns sicher jetzt
auch noch stärker angreifen wollen. Damit müssen wir ja rechnen. Als wir vom
Beginn der Vergeltung vorhin durch Hans Fritsche hörten, bin ich gleich zu
Vater runter gefahren und habe es ihm gesagt.
Er hat sich auch sehr gefreut.
Von Dir erhielt ich Deinen lieben Brief vom 8.6. Nr. 15. Wie ich Dir schon inzwischen
schrieb, habe ich im Garten alles rechtzeitig schaffen können. Die Reise nach
Leipzig hat gar nichts ausgemacht. Die
Kartoffeln stehen dieses Jahr so gut wie noch nie. Kraut haben sie jedenfalls
üppig. Dadurch, daß es öfter regnet, hat der Mist seine Wirkung tun können. Im
vergangenen Jahr war es zu trocken. Da ist er gar nicht verrottet. Die Zigarettenlieferungen an den Gagel habe
ich fast ganz eingestellt. Es war mir zu frech, wie oft sie gekommen sind. Das letzte Mal habe ich auch zu dem Mädel
gesagt: “Ja, wie denkst Du Dir das eigentlich? Erstens bekomme ich
augenblicklich fast keine und dann habe ich auch noch meine Leute zu versorgen.“
Darauf meinte sie „Der (ihr Vater) macht mich auch fast verrückt.“ Soviel ich
weiß, habe ich Dir doch mitgeteilt, daß Deine Kartoffeln angekommen sind. Ich
danke Dir auch heute nochmals dafür. So
eine Sauna ist doch sicher gut. Ein Soldat, der sie uns in der Ausstellung
erklärte, sagte noch, daß ihr Vorgesetzter immer dafür gesorgt hat, daß sie
sich hinterher 2 Stunden ausruhen. Könnt Ihr das auch? Es freut mich sehr, daß
Dein Schienbein wieder soweit verheilt ist. Du mußt Dir schon sehr weh getan
haben, daß es so vereitert war. Ich
glaube, mich machte es sehr kaputt, wenn ich nicht richtig schlafen könnte,
denn Schlaf ist mir das Wichtigste bei mir.
Morgen will ich wieder nach unseren Urlaubsbildern fragen.
Ich bin am Mittwoch schon wieder dort gewesen, damit er sieht, man wartet
darauf. Einmal werden wir sie doch
bekommen. Ich bin gespannt, ob es am
Sonntag mit dem Sportfest etwas wird, denn seit Nachmittag regnet es schon
wieder. Wenn morgen auch solch Wetter wird, ist ja der Boden ganz aufgeweicht. Heute zum Abendbrot hatte ich für die Kinder
eine Überraschung, ich hatte einen Rhabarberkuchen gebacken. Da haben sie aber
zugelangt. Ich sende Dir recht
herzliche Grüße und Küsse Deine Annie.
Du kannst Dich darauf verlassen, daß wir immer mit viel
Liebe an Dich denken.
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