Sonntag, 30. Juni 2019

Brief 747 vom 15.06.1944


Lieber, allerliebster Ernst!           Konstanz, 15.6.44
Da ich heute keinen Brief erhielt, kann ich Dir heute nur von meiner Arbeit erzählen. Diese galt heute dem Garten. Gleich früh habe ich begonnen. Zuerst kamen die ausgesäten Zwiebeln an die Reihe. Ich habe einen Teil davon versetzt. An manchen Stellen standen sie zu dicht. Dann habe ich im kleinen Garten hinter den Beeten, nach dem Baum zu, einige Weißkraut gesetzt. Im großen Garten habe ich an einzelnen freien Plätzen bei den Sträuchern Wirsing gepflanzt, ebenso im kl. Garten vor den Stachelbeersträuchern.
Später habe ich das Spinatbeet umgegraben. Ich habe dazu noch Komposterde verwendet.
Im großen Garten konnte ich noch ein schmales Beet zwischen dem Misthaufen und den Kartoffeln anlegen, wozu ich auch Komposterde verwendet habe.  Da pflanze ich entweder Kraut oder Buschbohnen. Nun war die Erde fast verbraucht. Da habe ich das Stück, wo Komposterde lag, auch umgegraben. Das gibt ja ein gutes Beet. Ich will darauf Möhren aussähen.  Heute Mittag konnten wir wieder Erdbeeren ernten, ca. 1 ½ Pfund. Die hat Helga zu Vater gebracht, ebenso 4 Kohlrabi. Im Laden bekommt man jetzt nur 1 Stück pro Person, da sie noch rar sind. Vater hat sich aber auch gefreut.  Nachmittags waren wir wieder baden. Da die Freunde von Jörg, Walter und Richard, auch gingen, ist er gleich mit ihnen gelaufen. Helga und ich sind später mit dem Rad nachgekommen. Es war, wie immer, sehr erfrischend. Heute waren auch nicht so viel Leute da, da konnte man gut schwimmen. Helga ist immer ins Wasser gesprungen und wollte auf den Grund kommen. Es ist ihr aber einfach nicht gelungen. entweder ist sie auf dem Bauch oder auf dem Rücken gelegen. Man kann das doch von oben so gut beobachten. Wir haben lachen müssen, so ulkig sah das aus.  Helga hat aber fest mitgelacht.  Am Abend konnten wir nochmals einige Erdbeeren holen. Da habe ich Erdbeermus für‘s Frühstück gekocht. Das schmeckt so gut.  Möglich ist mir das kochen ja nur, weil ich noch das Maismehl von Dir da habe.  Eier haben wir auch wieder zugeteilt bekomme, pro Person 3 Stück. Die habe ich heute gleich eingelegt.
So, das wäre mein Tagwerk von heute.  Unsere Kinder gehen jetzt manchmal schon zeitig ins Bett und lesen dann noch. Vorhin haben sie es auch so gemacht. Hast Du da eigentlich etwas dagegen? Sie sagen, es sei so gemütlich und sie könnten sich dabei auch noch schön ausruhen. Für mich ist es ja ganz vorteilhaft, weil ich dadurch in Ruhe meine Arbeit tun kann. aber wenn Du es nicht richtig findest, lasse ich die Kinder eben nicht mehr im Bett lesen.  Beim Wettkampf der HJ hat Helga auch dieses Jahr die Siegernadel bekommen. eigentlich ist es jetzt gar keine Nadel mehr, sondern nur eine kleine Urkunde. Ob Jörg die Siegernadel bekommt, das wissen wir noch nicht genau.  An unserem Baum hängen bis jetzt eine ganze Menge Äpfel.
Ich bin gespannt, wie viele bis zur Reife herunterfallen. Die Stachelbeeren sind schon schön groß und die Johannisbeeren röten sich. Die Kartoffeln fangen bald an zu blühen.
Auf die Krautsetzlinge mußte ich Naaki streuen, die Erdflöhe wüteten gar zu arg. Massenhaft sitzen sie auf den Blättern und die Blätter sehen bald scheußlich aus. Das Erbsenbeet mit den niederen Erbsen habe ich heute auch angehäufelt. Nachdem ich nochmals nachgesät habe, kommen sie nun schön regelmäßig heraus.  Ja, nun habe ich Dir eigentlich fast ausschließlich vom Garten erzählt. Aber vielleicht interessiert Dich das auch einmal. Ich schließe nun meinen Brief und grüße und küsse Dich ganz herzlich und habe Dich immer lieb, Deine Annie.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen