Liebster, bester Ernst ! Konstanz, 28.5.44
Gerade vorhin, um 10 Uhr, sind wir heim gekommen. Wir
haben noch einen Pudding gegessen und ehe ich schlafen gehe, will ich Dir von
heutigen Tag berichten. Um 10 Uhr
vormittags sind wir fortgefahren. 11,06 waren wir in Singen. Wir haben dann erstmal zugesehen, wo wir
essen konnten. Das Restaurant, wo wir mal waren, hatte Betriebsferien. Dann
sind wir in drei weitere vergeblich gelaufen. Als es uns zu dumm wurde, sind
wir einfach ins Centralhotel gegangen. Da haben wir aber ein gutes Essen
bekommen. Schweinefleisch, Kartoffeln, Reis, Spinat, Kohlrabi, Soße und Salat.
Das Essen kostete 1,60 Mk. Dazu haben wir ein Schorle getrunken. Nach dem Essen haben wir uns auf den Weg zum
Hohentwiel gemacht. Es war ein mächtig heißer Tag. Unterwegs haben wir uns
einige Male ausgeruht. Wir haben uns alles angesehen. Dann haben wir uns noch
eine Weile hingesetzt und haben war gegessen. Beim Abstieg sind wir noch in das
Gasthaus gegangen und haben Selterwasser getrunken. Wir mußten es mit raus auf die Wiese nehmen, denn im Haus war
zuviel Betrieb.
Wir haben uns auf die Wiese gesetzt und uns ausgeruht. Ich
weiß nicht, man war dauernd müd. Das kam
sicher von der großen Hitze. Später sind wir langsam in
die Stadt gegangen. Wir sind noch im Café Graf eingekehrt und haben 1 Stück Kuchen
und einen Erdbeersaft getrunken.
Hinterher sind wir noch in unser Café, gleich beim Bahnhof
gegangen. Da haben wir 1 Linzertorte und 1 gefüllten Kuchen erhalten. Dazu
haben wir einen Kaffee getrunken und die Kinder Limonade. Die restliche Zeit
sind wir noch spazieren gegangen. Die Sonne war ziemlich untergegangen und es
wehte ein erfrischender Wind. Gegen 8 Uhr sind wir dann auf den Bahnsteig
gegangen, wo wir uns auf einer Bank ausruhen konnten.
Der Zug kam schon ¼ 9 Uhr und hatte ½ Stunde Aufenthalt.
Wir sind gleich eingestiegen und bekamen dadurch Platz. Vorhin sind wir nun
wieder angekommen. Gel, eingekehrt sind
wir heute genug? Aber es kommt auch nicht gleich wieder vor. Morgen machen wir uns einen faulen Tag. Am
Nachmittag sind wir zur Resi eingeladen. Ich nehme von unserem Kuchen mit.
Strümpfe zum stopfen nehme ich auch mit, damit man nicht nur faulenzt. Die
Kinder wollen sich wieder kostümieren und spielen. Es ist ganz eigenartig, wenn
Jörg nicht da ist. Was er wohl jetzt tun wird. Ob er fest schläft? Ob es ihm
auch im Lager gefällt? Wir haben den
ganzen Tag auch an Dich gedacht, was Du jetzt wohl tust. Vom Feiertag hast Du
vielleicht wenig gemerkt.
Frei werdet Ihr wohl kaum gehabt haben.
29.5. Du weißt ja, wie es bei mir so geht. Plötzlich kann
ich mich nicht mehr munter halten. So ging es mir auch gestern Abend. Mir
fielen die Augen zu und ich wußte gar nicht mehr was ich schrieb. Da habe ich
mich erst mal ins Bett gelegt und habe bis jetzt um 8 Uhr geschlafen. Helga
schläft noch, sie ist sehr müd. Ich bringe diesen Brief noch auf die Post,
damit er recht bald fort kommt. Die
Feiertage werden nun bald vorbei sein. Hätte man nur Päckchen schicken dürfen.
Das hätte mich so gefreut.
So essen wir hier mehrere Kuchen und wissen, daß Du sowas
nicht hast. Man kann es Euch draußen so gar nicht erleichtern und man würde es
so gern tun. Auch heute ist wieder ein
herrlicher sonniger Tag. Ich glaube, unser Jörg wird ganz braun gebrannt heim
kommen, denn die Buben sind doch dauernd im Freien. Schönere Tage hätten sie
sich ja für ihre Fahrt nicht wünschen können.
Vom Hohentwiel selber habe ich eigentlich noch gar nichts erzählt. So
schön wie damals, als wir mit Dir oben waren, das war es nicht. Es waren eine
Menge Leute droben. Am Fernrohr haben sie bald angestanden. Aber einen neuen
Gang habe ich doch wieder entdeckt.
Viele Ausländer waren auch oben. Einmal kam ein ganzer Schwarm
Ostarbeiterinnen. Es sah schlimm aus.
In unmöglichen Aufzügen. Die eine hatte ein hellgrünes Seidenkleid an, das bald
bis auf den Fußboden ging, dazu graue Socken und derbe Schuhe. Die Sachen waren an sich nicht schlecht,
aber wie sie getragen wurden, war einfach schauderhaft. Eine einzige machte
einen halbwegs ordentlichen Eindruck. Zu allem haben sie natürlich noch ihre
Kopftücher um. Geschmack nicht für´n Fünfer. Vorgestern kauften auch gerade
welche beim Martignoni ein. Scheinbar bekommen sie erst Karten, damit sie sich
halbwegs anziehen können, denn wie die im Laden standen, war schlimm. Sie
hatten nun Röcke, Blusen usw., ja sogar Taschentücher gekauft. Die Aussicht haben wir auf dem Hohentwiel
nicht viel genossen, dafür sind wir eben in den Gängen rumgekrochen, denn
Ingrid kannte ja alles noch nicht. _ Post habe ich vorgestern und gestern nicht
erhalten und heute wird keine ausgetragen. Zu beantworten habe ich also
nichts. Laß mich deshalb jetzt
schließen. Mein größter Wunsch ist immer wieder, daß Du gesund bleibst.
Laß Dich herzlich grüßen und fest küssen von Deiner Annie.
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